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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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auch möglich«, fuhr Bruder Edmund fort, »dass etwas ganz anderes passiert. Woher kann Dudley von unserem Unternehmen gewusst haben? Er ist mit seinen Soldaten eigens den ganzen Weg aus London hierher geritten.«
    Ich drückte meine Wange fester an die abgebröckelte Steinkante. »Ich glaube, Geoffrey Scovill hat es ihm gesagt.«
    » Was ?« Ich hörte ihm den Schock an.
    Am Morgen des zweiten Weihnachtstags, an dem wir nach Canterbury aufbrechen wollten, packte ich eilig Proviant in Taschen und Körbe, als Geoffrey Scovill an meine Haustür hämmerte und dann an Kitty vorbei in die Küche stürmte.
    »Was tut Ihr da?«, fragte er, als er das aufgeschnittene Brot und die abgepackten Lebensmittel sah.
    »Ich bereite den Proviant für einige Freunde vor, die über Weihnachten hier waren und jetzt weiterreisen«, erklärte ich ruhig.
    »Wohin?« Geoffrey musterte mich mit zusammengekniffenen Augen.
    »Das geht Euch nun wirklich nichts an«, entgegnete ich.
    »Ich bin der Constable von Dartford, also geht es mich sehr wohl etwas an«, widersprach er. »Ich hoffe, sie wollen nicht nach Canterbury.«
    Das erschreckte mich. Wie kam er auf diesen Gedanken? Wir hatten ja selbst diese Reise erst vor nicht einmal zwölf Stunden beschlossen.
    »Wieso interessiert es Euch, wohin sie reisen?«, fragte ich.
    »Weil sie in Canterbury nur Ärger bekommen werden«, sagte er. Und dann: »Reist Sommerville mit ihnen? Und Ihr?«
    »Nein«, antwortete ich schnell.
    Er presste die Lippen zusammen. Wieder hatte ich ihm Schmerz bereitet. Ich wollte es nicht, und doch musste ich es immer wieder tun.
    »So weit ist es also zwischen uns gekommen – dass Ihr mich belügt«, sagte er zornig. »Ihr seid eine Närrin, Joanna. Was Ihr tut, ist Wahnsinn – und es wird nichts bewirken.«
    Damit ging er.
    Das alles berichtete ich Bruder Edmund. Als ich endete, sagte er: »Ihr hättet mich und die anderen unterrichten müssen.«
    »Ja«, sagte ich niedergeschlagen. »Ich habe so vieles falsch gemacht. Und dieser Fehler von mir hat Bruder Oswald das Leben gekostet und wird uns vielleicht alle das Leben kosten. Aber ich habe Geoffrey ja danach nicht mehr gesehen, und er hat auch nicht versucht, uns aufzuhalten. Ich bin überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, dass er sich an jemanden wie John Dudley wenden könnte. Ich kann nicht glauben, dass Geoffrey jemals etwas tun würde, was mir schaden könnte, ganz gleich, wie verärgert er ist. Und ich – ich wollte nicht, dass Ihr von dem Streit erfahrt.«
    Eine Weile blieb es still. Ich fragte mich, ob Bruder Edmund so erschüttert über mein Verhalten war, dass er nicht mehr mit mir sprechen wollte.
    Doch dann hörte ich seine Stimme wieder, und sie war ohne Zorn. »Erinnert Ihr Euch, wie Ihr mich auf dem Friedhof gefragt habt, ob ich mich anders besonnen habe?«
    »Ja«, sagte ich. »Ihr habt so aufgewühlt ausgesehen.«
    »Während wir dort gewartet haben und ich Euch neben dem Grabstein sah«, sagte er leise, »habe ich etwas erkannt, Schwester Joanna.« Er schwieg abrupt.
    Ich wartete unsicher. Als er wieder zu sprechen begann, war seine Stimme noch leiser als zuvor.
    »So sehr ich wünschte, für unseren Glauben und den heiligen Thomas zu kämpfen, wünschte ich mir noch etwas anderes. Ich wünsche es mir schon lange. Ich habe es nicht immer verstanden; ich habe es gefühlt, und ich habe es bekämpft. Ich war immer überzeugt, ich sei dazu bestimmt, ein Mann Gottes zu werden. Doch jetzt weiß ich, wie stark dieser andere Wunsch in mir ist. Ich weiß, dass ich, wenn ich vor die Wahl zwischen Leben und Tod gestellt würde, das Leben wählen würde – selbst ein Leben, das mir fremd ist und das sicher schwierig für mich wäre.«
    Ich presste mein Gesicht an die Maueröffnung. Ich konnte ihn in der Dunkelheit nicht sehen, aber ich wusste, dass sein Gesicht nicht mehr als drei Fuß von meinem entfernt sein konnte.
    »Was ist das für ein Wunsch, Bruder Edmund?«, fragte ich.
    »Dieser Moment verlangt nach Außergewöhnlichem, nach Worten der Tiefe, aber ich kann nur aus den heiligen Schriften schöpfen.« Der Schatten eines Lachens färbte seine Stimme. »Mir fällt nur ein, was die heilige Katharina von Siena gesagt hat: ›Das menschliche Herz ist immer der Liebe zugeneigt.‹«
    Er zögerte wieder.
    »Es geht um Euch«, sagte er. »Ich liebe Euch.«
    Tränen sprangen mir in die Augen, mein Hals war plötzlich wie zugeschnürt. Ich unterdrückte die Aufwallung, um mit ihm sprechen zu

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