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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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mit schmerzverzerrtem Gesicht. Sein Blick suchte und fand mich. Er versuchte, sich aufzurichten und seine Schmerzen zu verbergen.
    Ich trat aus dem Schatten des Portals. Ich konnte nicht zulassen, dass ich jetzt von Bruder Edmund getrennt wurde. Dudley nickte, als er mich bemerkte. Er zeigte keine Überraschung.
    In dem Moment verstand ich. Wir waren verraten worden. Und ich wusste auch, von wem.
    So endete unsere Wallfahrt. Sie hatte voller Hoffnung, Glauben und Mut begonnen und endete mit Tod und Scheitern. Selbst die Würde, für ein heiliges Ziel gekämpft zu haben, wollte Dudley uns noch nehmen.
    »Habt Ihr das getan, weil Ihr geglaubt habt, die Leute des Königs würden Beckets Leichnam rauben und entweihen?«, fragte mich Dudley, als er uns durch dunkle Straßen von der Kathedrale wegführte. Es hatte aufgehört zu schneien. Eine dünne weiße Schicht überzog die Straße. Wir folgten den Hufabdrücken von Dudleys Rappen.
    »Das ist ein Gerücht, das jeder Grundlage entbehrt«, fuhr Dudley fort. »Die Papisten haben es ausgestreut, um den Namen des Königs in der ganzen Christenwelt in Verruf zu bringen. Der König hat den Schrein zwar geleert und geschlossen, aber nur um abergläubische Bräuche zu unterbinden. Die Gebeine sollten an einen sicheren Ort gebracht werden, um genau solche verbrecherischen Vorstöße, wie Ihr heute einen unternommen habt, zu verhindern.«
    Ich sagte nichts. Ich hatte keine Ahnung, ob an dem, was er sagte, auch nur ein wahres Wort war.
    Eins jedoch wusste ich: Zu glauben, ich könnte in diesem Königreich eine Veränderung herbeiführen, war nichts als Hybris von mir gewesen. Am Abend des ersten Weihnachtstags in Dartford hatte ich gedacht, dies sei vielleicht die Tat, die zu vollbringen ich aufgerufen war, und es wäre nicht nötig, auf die Anweisung eines dritten Sehers zu warten. Doch entweder waren die Prophezeiungen falsch, oder ich hatte sie gründlich missverstanden.
    Wenn der Rabe das Seil erklimmt, muss der Hund sich in die Lüfte erheben wie der Falke … Baut auf den Bären, wenn ihr denStier schwächen wollt . Ich war weiter denn je davon entfernt, diese Worte zu verstehen.
    Bitterkeit und Enttäuschung tobten in mir. Warum war mir dieses Los auferlegt worden? Es hatte mir nichts als Schmerz und Verwirrung gebracht. Wenn ich durch ein Wunder Gottes vor einem Gerichtsverfahren und nachfolgender Gefangensetzung oder Hinrichtung bewahrt werden sollte, wünschte ich mir nur noch ein stilles Leben des Gebets und der Buße.
    Ich hätte so gern mit Bruder Edmund gesprochen, der, an den Händen gefesselt wie ich, an meiner Seite ging. Dudley ritt uns voraus. Von Zeit zu Zeit drehte er sich im Sattel um und verhöhnte uns. Ein halbes Dutzend Soldaten trennte uns von den Freunden Bruder Oswalds. Ich konnte an nichts anderes denken als an den toten Zisterzienser am Fuß der Kirchentreppe und das Blut, auf das der Schnee fiel. Ich betete darum, dass eine barmherzige Seele ihm ein christliches Begräbnis bereiten würde.
    Dudley lenkte sein Pferd an den Straßenrand und winkte einen jungen Soldaten zu sich, um ihm einen Befehl zu geben. Der Mann nickte, kehrte um und stieß Bruder Edmund und mich von der Straße zu Dudley hinüber.
    Die anderen marschierten weiter, Soldaten und Mönche, geführt von einem Fackelträger. Als die Gruppe an uns vorüberkam, rief einer der Mönche: »Gott schütze und bewahre Euch.«
    Dudley prustete geringschätzig.
    Sobald die Gruppe verschwunden war, trieb Dudley sein Pferd wieder an, führte uns jedoch eine andere Straße hinunter. Der einzige Soldat, der ihn begleitete, ging dicht hinter uns und stieß Bruder Edmund immer wieder seine Hellebarde in den Rücken. Einzig das schwache Mondlicht leuchtete uns.
    Was hatte es zu bedeuten, dass wir von den anderen getrennt worden waren und nun mit Dudley und seinem Soldaten allein einem anderen Ziel entgegengingen?
    Ich kämpfte gegen meine wachsende Furcht.
    Unser nächtlicher Marsch dauerte mindestens eine Stunde, vielleicht auch zwei. Die Häuser, an denen wir vorüberkamen,waren dunkel. Die Leute von Canterbury hielten die Nachtruhe ein. Niemand sah uns – niemand würde später etwas über unser Schicksal sagen können.
    Als wir Dudley schließlich durch die Öffnung in einer niedrigen alten Steinmauer folgten, wurde ich trotz der tiefen Erschöpfung, die von mir Besitz ergriffen hatte, plötzlich hellwach. Ich fühlte mich an etwas erinnert, ohne sagen zu können, was es war.
    Auf der anderen Seite

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