Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
können.
»Wenn es uns gelingt, uns zu befreien, Schwester Joanna, habe ich nur den einen Wunsch, Euch zu heiraten«, sagte er. »Ich habe keine Ahnung vom Leben in der Ehe, aber ich möchte den Rest meines Lebens mit Euch verbringen.«
»Ja«, sagte ich, und trotz allem, was geschehen war, lächelte ich vor Glück.
Doch mir blieb keine Zeit, ihm von meinen eigenen Gefühlen zu sprechen. Die Zellentür flog plötzlich auf, Fackelschein erhellte die Finsternis, und der bärtige Pförtner zog mich in den Gang hinaus.
»Lebt wohl, Bruder Edmund«, rief ich in einer Art wilder Verzweiflung. Furcht stieg in mir auf, doch es brannte auch eine tiefe Freude in meinem Herzen. Ich wurde geliebt. Wenn ich diese Nacht überlebte, würde ich Edmund Sommervilles Frau werden.
Am Ende des Korridors stieß der Bärtige mich um eine Ecke. Beinahe wäre ich mit dem Mann zusammengestoßen, der mich dort erwartete.
Jacquard Rolin.
Ich wich zurück und wollte etwas sagen, doch Jacquard hielt mich fest und drückte mir die Hand auf den Mund. Er war schnell, und er war weit kräftiger, als mir je aufgefallen war.
»Ich glaube zwar nicht, dass Euer Bruder Edmund durch diese Tür hindurch etwas hören kann, aber sicher ist sicher«, flüsterte er. »Nennt keinesfalls meinen Namen, wenn Ihr wollt, dass er am Leben bleibt.«
Ich nickte hastig.
»Gut.« Er zog seine Hand weg, und ich drehte mich langsam zu ihm um. Ich konnte nicht glauben, dass wirklich Jacquard Rolin, der Protestant aus den Niederlanden, mir hier in St. Sepulchre gegenüberstand.
»Kommt, gehen wir ein Stück weiter, dann können wir uns unterhalten«, sagte er. »Aber erst bindet sie los.«
Der Bärtige gehorchte ohne ein Widerwort.
Jacquard musterte mich von Kopf bis Fuß, während er neben mir her ging. »Welch eine Nacht Ihr hinter Euch habt, Joanna Stafford«, sagte er in einem Ton, als hätten wir uns zufällig auf der High Street getroffen. »Wie ich hörte, hat Euch Euer Mut verlassen, und Ihr habt geweint, als man Euch in Elizabeth Bartons Zelle geworfen hat. Das hätte ich nicht erwartet.«
»Wie ist es möglich?«, stammelte ich. »Habt Ihr uns an Dudley verraten?«
Jacquard lächelte. »Kommt mit mir«, sagte er nur.
Er führte mich zu den ehemaligen Räumen der Priorin. Nachdem er geklopft hatte, stieß er die Tür auf und forderte mich mit einer galanten Geste auf, vor ihm einzutreten.
Das Zimmer, dasselbe, in dem ich vor zehn Jahren mit meiner Mutter gewartet hatte, war von zahlreichen Kerzen hell erleuchtet. Der Eichentisch war derselbe wie damals. Dahinter saß ein Mann.
Es war Eustace Chapuys, der Botschafter Kaiser Karls.
»Seid mir gegrüßt, Juana«, sagte er.
Einen Moment lang glaubte ich, ich litte an Halluzinationen. Als ich mich halbwegs gefasst hatte, fiel mir nichts anderes zu sagen ein als: »Dann kennt Ihr mich also doch?«
Hinter mir lachte Jacquard, und auch Chapuys lächelte amüsiert, doch mit einer Spur Wehmut.
Ich wies auf Jacquard. »Warum ist er hier, Herr Botschafter? Er ist für den König tätig und ein Anhänger des reformierten Glaubens.«
»Nein, Juana«, widersprach Chapuys. »Jacquard Rolin ist geheimer Beobachter in Diensten Kaiser Karls.«
Das Kerzenlicht begann zu wabern. Ich spürte, wie ich fiel, und ich wäre zu Boden gestürzt, wäre nicht Jacquard blitzschnell herbeigesprungen und hätte mich aufgefangen. Er trug mich zu dem Sessel vor Chapuys’ Tisch.
»Wein. Etwas zu essen. Sofort«, befahl Chapuys.
Jemand hielt mir einen Becher an die Lippen. Das Stück Brot, das man mir reichte, lehnte ich ab, doch das half nichts. Ich musste es essen, auch wenn ich es nur mit Mühe hinunterbrachte.
»Ich verstehe das alles nicht«, sagte ich.
»Jacquard gelang es, sich in eine Gruppe deutscher Protestanten einzuschmuggeln, mit der er im Mai in London eingetroffen ist«, erklärte Chapuys. »Wir brauchten jemanden, der Euch in Dartford unter Beobachtung halten konnte. Ich habe Engländer in meinen Diensten, aber niemanden, der für diese wichtige Aufgabe das nötige Fingerspitzengefühl besitzt. Ich habe den besten Mann verlangt – und ich habe ihn bekommen.«
Jacquard verneigte sich. »Euer Lob ehrt mich.«
»Warum war es nötig, mich zu beobachten?«, fragte ich.
Keiner der beiden Männer gab mir eine Antwort. Ich drehte mich nach Jacquard um. »Ihr seid kein Protestant? Aber Euer Glaube – Ihr habt doch selbst mit mir darüber gesprochen.«
Jacquard verwandelte sich vor meinen Augen. Mit fanatisch
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