Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
frühmorgendlicher Ruhe.
Zum dritten Mal griff er in seine Hosentasche, holte seine Tüte wirundischer Glückspastillen hervor und steckte sich drei in den Mund. Die Drops aus der Wüstenstadt munterten ihn auf. Beim Zurückstecken der Bonbontüte bemerkte er den Gaphir in seiner Tasche und zog ihn heraus. Diese an Speckstein erinnernden Speichersteine besaßen die Fähigkeit, Limar aufzunehmen und bei Bedarf dem Besitzer zur Verfügung zu stellen. Man hatte erst vor einigen Jahren festgestellt, dass die Gaphire auch auf der Erde ihre Speicherkraft behielten. Er betrachtete die dunklen Maserungen auf der polierten Oberfläche. Das Limar machte sich durch winzige Blitze im Inneren des Steines bemerkbar. Callum konnte die Energie mit seinen geschulten Sinnen als ein Kribbeln auf der Haut spüren.
„Du musst reichen, mein Freund, falls es hier zu Problemen kommt“, murmelte er vor sich hin.
Jemand kam. Callum zuckte zurück und versuchte durch das Blattwerk die Person zu erkennen. Ein älterer Mann schob mit schlurfendem Schritt eine Handkarre den gegenüberliegenden Bürgersteig entlang und steckte bei einigen Häusern Zeitungen in den Briefkasten. Nach wenigen Minuten verschwand er um eine Ecke.
Callum schaute die kopfsteingepflasterte Straße hinauf und hinunter. Nichts und niemand zu sehen. Er schüttelte den Kopf und dachte zum wiederholten Mal, dass Meister Allando in seiner Besorgnis übertrieb.
Callum erinnerte sich, wie der Meister von ihm gefordert hatte: „Callum. Bitte fliege du voraus. Beobachte den Jungen und beschütze ihn bis zu meiner Ankunft. Mandratan darf ihm nichts anhaben.“
Meister Allando hatte sich gelassen gegeben, aber Callum hatte die Sorge in seinem Gesicht erkannt. Er fühlte sich geehrt von dem Vertrauen, welches der Meister mit diesem Auftrag in ihn setzte. Das auch. Aber stärker wog die Angst. Angst davor, alleine in dieser fremden Welt zu reisen. Er war bisher erst einmal hier gewesen, nur für eine Woche.
Schluckend hatte er eingewilligt.
Kurz vor dem Abflug hatte ihm Allando noch eingeschärft: „Sobald du seltsame Beobachter, ein Verfolgen oder Ähnliches feststellst, kann es nur eines bedeuten: Mandratan hat seine Finger nach ihm ausgestreckt.“
„Ich bin kein Soldat, wie soll ich ihn beschützen, wenn einer ihm etwas antun will?“, hatte er wissen wollen. „Meine Kräfte sind hier doch arg eingeschränkt.“
Allando fasste ihn mit beiden Händen an den Schultern. „Callum. Du bist der intelligenteste Schüler, den ich je gehabt habe. Vertraue dir selbst und du wirst eine Lösung finden. Zur Not setze den Gaphir ein.“
Dann hatte er den Blick von ihm gewendet und auf die abfliegenden Flugzeuge geschaut. „Sobald das mit dem Visum für Jason geklärt ist, werde ich folgen.“
Der Gaphir. Nicht gerade viel, was er an Limar zur Verfügung hatte. Es muss ausreichen , dachte Callum und lies den Speicherstein wieder in seiner Hosentasche verschwinden.
Er versuchte, sich zu beruhigen. Wahrscheinlich hatte Mandratan bisher gar nichts von der Prophezeiung erfahren. Und selbst wenn ein Spion ihm davon berichtet hätte, hieß das noch lange nicht, dass er daraus dieselben Schlussfolgerungen wie Großmeister Allando zog.
Die Reise hierher hatte auf jeden Fall schon einmal gut geklappt. Ihre Freunde in Indien hatten ganze Arbeit geleistet, die Flugtickets sowie einen Pass für ihn besorgt und detailliert aufgeschrieben, was er wann tun oder lassen müsse. Callum war gestern Abend in Sanguinet angekommen und hatte in das kleine Hotel in der Ortsmitte eingecheckt. Seit dem heutigen Sonnenaufgang überwachte er Jason mit der klaren Anweisung, nur im Notfall einzugreifen. Sein Meister würde wohl heute Mittag ankommen. Er wollte als Erster mit dem Jungen sprechen.
Im Fenster unter dem Dach des reetgedeckten Hauses wurde ein Rollo hochgezogen. Callum duckte sich tiefer hinter die Rhododendronbüsche, die er für seinen Beobachtungsposten gewählt hatte.
„Ich bin gespannt, wie du aussiehst, Jason“, flüsterte er ohne den Blick vom oberen Fenster abzuwenden. Doch niemand zeigte sich dort.
Erst eine halbe Stunde später öffnete sich die dunkelgrün bemalte und mit Blumenmotiven verzierte Haustür. Ein junger Mann erschien im weiß gestrichenen Türrahmen. Seine großen Augen wetteiferten in ihrer Schwärze mit den gewollt zerzauselten Haaren - diese Frisur hatte Callum auf seiner Reise hierher des Öfteren gesehen.
„Du bist also Jason Lazar“, raunte er und
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