Die Prophezeiung von Tandoran - Verwundete Welt - Yoga/Fantasy-Roman: 1 (German Edition)
Auf der Erde
atha yoga anushâsanam
Hier beginnt die Unterweisung im Yoga.
Patanjali, Yoga-Sutren, Teil 1, Sutre 1
1.1 Entführung
Jason rannte. Rannte und träumte. Fantasierte sich in Abenteuer, er, von Außerirdischen auserwählt, für ein besonderes Leben bestimmt, wie er Versuchstiere im wilden Kampf aus ihrer Gefangenschaft befreit, alles wieder gutmachend ... von seiner Schuld erlöst.
Die glühendgelbe Mittagssonne erhitzte den sandigen Boden des Pinienwaldes bei Sanguinet im südlichen Frankreich. Er lief barfuß, der heiße Sand zwang ihn, ein zügiges Tempo zu halten.
Jason liebte das Gefühl der Erde auf der Haut unter seinen Füßen, das Hineingleiten der Zehen in den weichen Sandboden, die wechselnden Empfindungen von Blättern, Zweigen und Steinen. Sobald am Wegesrand ein Hindernis auftauchte, zum Beispiel eine abgestorbene Wurzel oder eine jüngst gepflanzte Tanne, bog Jason auf den Seitenstreifen und übersprang die Hürde als würde er für Olympia trainieren. Bei jedem Sprung flogen die Schweißtropfen aus seinen nachtschwarzen Haaren. Das gelbe Funktionsshirt hatte längst vor dem Abtransport der Feuchtigkeit kapituliert und klebte triefend nass am Oberkörper.
Der Gewaltlauf ließ sein Gewissen verstummen. Die Abenteuergeschichten endeten und Ruhe breitete sich in seinem Geist aus. Ruhe vor seiner Verzweiflung, den Selbstvorwürfen und der Trauer. Er durfte nur nicht langsamer werden. Dann kamen die Gedanken an Ben wieder. Und an seine Mutter, ein halbes Jahr war sie jetzt tot …
Er bemerkte die Veränderung sofort. Eben noch bildete die unsichtbare Vogelwelt einen Gesangsteppich um ihn herum. Von einem Moment auf den anderen wurde es still. Totenstill.
Verunsichert blieb Jason stehen.
Er fragte sich, ob er sich die Geräuschkulisse nur eingebildet habe und es stattdessen die ganze Zeit schon ruhig gewesen sei. Doch dann erinnerte er sich an die Läufe die Tage zuvor und der vielstimmige Vogelgesang stand ihm wieder lebhaft vor Ohren.
Wachsam blickte er sich nach allen Seiten um. Seine schwarzen Augen suchten nach Tieren innerhalb des Waldes oder am Himmel. Erfolglos. Unsicher machte er zwei Schritte nach vorn und blieb stehen. Obwohl es helllichter Tag war, fühlte er sich unbehaglich. Sein Blick wanderte konzentriert zwischen den Pinienbäumen hindurch. Keuchend versuchte er, durch tiefe Ausatmungen seinen Herzschlag zu beruhigen. Wieso war es so leise? Was könnte die Vögel vertrieben haben? Gab es eine Gefahr?
Da hörte er ein Knacken links vor ihm. Sein Kopf ruckte zur Seite. Zweige bogen sich auseinander und aus einem dichtbelaubten Busch trat eine riesenhafte Gestalt auf den Weg. Sie kam langsam auf ihn zu.
Jason stockte. Hatte der breit gebaute Unbekannte hinter dem Strauch gelauert oder war er nur Pinkeln gewesen? Hastig drehte Jason seinen Hals und schaute den Weg zurück. Es ging dort mindestens 200 Meter geradeaus. Niemand zu sehen. Er blickte wieder nach vorn.
Der kräftig aussehende Hüne hatte den Abstand mittlerweile halbiert. Irgendetwas störte Jason an dessen Kleidung. Sie war unpassend. Sein aus dickem, braunem Leder bestehender Mantel war viel zu warm für den August und beulte sich an einer Seite merkwürdig aus.
Der Unbekannte kam weiter auf ihn zu. Die in der Sonne glänzenden, dunkelblonden Haare fielen schulterlang und verströmten eine weibliche Note. Die stahlschwarzen Augen, der Fünf-Tage-Bart und der lang gezogene Kopf (wie bei einem Pferd, schoss es ihm durch den Kopf) standen dazu in hartem Kontrast. Der Blick des Fremden war so starr auf ihn gerichtet, wie Jason es nur von Wahnsinnigen aus Filmen kannte. Sein Herzschlag beschleunigte sich.
Sei nicht so ein Feigling. Das ist ein Tourist, der sich die falschen Klamotten eingepackt hat. Und du zitterst hier, als ob Osama Bin Laden persönlich aus dem Grab gestiegen wäre.
Zwei Meter vor ihm kam der Fremde zum Stehen und verschränkte die Arme. Jason starrte ihn keuchend an. Er hatte sich keinen Zentimeter von der Stelle bewegt. Seine Zunge glitt über die trockenen Wände der Mundhöhle. Obwohl er mit einssiebenundachtzig nicht gerade klein war, musste er zu dem blonden Riesen, der ihn abwartend betrachtete, aufblicken. Langsam trat Jason einen Schritt zurück und fragte: „Was gibt es?“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Krächzen.
Der Hüne kam näher, beugte sich vor und stierte in Jasons Gesicht. „Man nennt mich Aran del Mark. Bist du Jason Lazar?“, wollte er wissen
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