Die Prophezeiungen von Celestine
sollten.
Der Jeep fuhr voraus und führte uns auf eine mehrere hundert Meter lange, von hohen Bäumen ge-säumte Einfahrt, die uns schließlich auf das eigentliche Missionsgelände brachte. Das Kirchengebäude war aus rohen Steinblöcken erbaut und konnte meiner Schätzung nach mindestens eintausend Menschen beherbergen. Auf beiden Seiten der Kirche befanden sich vierstöckige Gebäude, die wie Schulhäuser aussahen.
»Ein eindrucksvoller Ort«, sagte ich.
»Ja, aber wo sind die Menschen?« fragte er.
Ich bemerkte, daß die Wege und Gehsteige wie ausgestorben dalagen.
»Sebastian betreibt hier eine vielgerühmte Schule«, sagte er. »Wo sind seine Studenten geblieben?«
Die Soldaten führten uns zum Eingang der Kirche und baten uns höflich, aber bestimmt, ihnen ins Innere zu folgen. Während wir die Zementstufen erklommen, sahen wir, daß hinter einem angrenzenden Gebäude mehrere Lastwagen geparkt waren. Dreißig oder vierzig Soldaten hielten sich aufbruch-bereit in ihrer Nähe auf. Nachdem wir die Kirche betreten hatten, wurden wir durch den Altarraum und von dort in ein kleines Zimmer geführt. Dort durchsuchte man uns gründlich und ließ uns warten. Die Soldaten
entfernten sich und verschlossen die Tür.
»Wo liegt das Büro des Kardinals?« fragte ich.
»Weiter hinten in der Kirche«, sagte er.
Plötzlich wurde die Tür geöffnet. In Begleitung mehrerer Soldaten stand Kardinal Sebastian vor uns.
Seine Haltung war gerade und aufrecht.
»Was willst du?« fragte der Kardinal Sanchez.
»Ich möchte mit dir reden«, sagte Sanchez.
»Worüber?«
»Den neunten Teil des Manuskriptes.«
»Es gibt nichts zu reden. Er wird niemals auftauchen.«
»Wir wissen, daß du ihn bereits gefunden hast.«
Die Augen des Kardinals weiteten sich. »Ich werde niemals zulassen, daß diese sogenannte Erkenntnis an die Öffentlichkeit gelangt«, sagte er. »Kein Wort darin ist wahr.«
»Woher weißt du, was die Wahrheit ist?« fragte Sanchez. »Auch du kannst irren. Gib sie mir zu lesen.«
Der Gesichtsausdruck des Kardinals verlor etwas von seiner Strenge, während Sanchez sprach. »Es gab eine Zeit, da hast du meine Entscheidungen in derartigen Angelegenheiten für korrekt und ange-messen gehalten.«
»Ich weiß«, sagte Sanchez. »Du bist mein Mentor gewesen. Meine Inspiration. Nach deinem Vorbild habe ich meine Mission errichtet.«
»Bis zur Entdeckung des Manuskriptes hast du mich respektiert. Merkst du jetzt, wie zersetzend es ist? Ich habe dich deinen eigenen Weg gehen lassen, selbst nachdem du damit begonnen hattest, die Erkenntnisse zu lehren. Doch ich werde unter keinen Umständen zulassen, daß dieses Dokument zerstört, was unsere Kirche in Jahrhunderten aufgebaut hat.«
Ein Soldat trat von hinten an den Kardinal heran und bat um ein Gespräch. Dieser warf einen Blick auf Sanchez und begab sich dann auf den Flur. Wir konnten ihn zwar noch sehen, verstanden aber kein Wort des Gespräches. Es war offensichtlich, daß der Inhalt der überbrachten Botschaft Kardinal Sebastian zu alarmieren schien. Als er sich zum Gehen wandte, signalisierte er allen, ihm zu folgen, bis auf einen seiner Soldaten, der mit unserer Bewachung beauftragt wurde.
Er kam in unser kleines Zimmer und lehnte sich mit verstörtem Gesichtsausdruck an die Wand. Er war höchstens zwanzig Jahre alt.
»Was ist los?« fragte Sanchez ihn.
Der Soldat schüttelte nur den Kopf.
»Geht es um das Manuskript, die Neunte Erkenntnis?«
Der Soldat schien überrascht. »Was wissen Sie von der Neunten Erkenntnis?« fragte er zaghaft.
»Wir sind hier, um diese vor der Vernichtung zu bewahren«, sagte Sanchez.
»Ich möchte auch nicht, daß sie vernichtet wird«, gab der Soldat zurück.
»Haben Sie die Schrift gelesen?« fragte ich.
»Nein«, sagte er. »Aber ich habe davon gehört.
Sie wird unsere Religion wieder zum Leben erwecken.«
Von draußen war plötzlich Gewehrfeuer zu hören.
»Was geht dort vor?« fragte Sanchez.
Der Soldat rührte sich nicht.
Freundlich berührte Sanchez ihn am Arm. »Helfen Sie uns.«
Der junge Soldat begab sich zur Tür und sah den Flur hinab. »Jemand ist in die Kirche eingebrochen und hat eine Kopie der Neunten Erkenntnis gestohlen.
Es scheint, als befinden die Einbrecher sich noch auf dem Gelände.«
Wieder hörte man Gewehrschüsse.
»Wir müssen versuchen, den Leuten zu helfen«, sagte Sanchez zu dem jungen Mann.
Der sah verängstigt drein.
»Wir müssen unsere Pflicht tun«, begann Sanchez wieder. »Es
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