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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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du sein, wenn das alles hier vorüber ist?
    »Die Leute sind doch verrückt!« Er schob ihr die Teekanne hin und stellte eine Tasse und Schälchen mit Zucker und Zitrone dazu. »Heute hat ein Typ gefragt, ob ich ihm Kokain besorgen könnte. Was sagst du dazu? Ich meine, ausgerechnet hier!«
    Sie ließ sich Feuer geben. »Gibt es hier Mittagstisch?«
    »Warme Gerichte, meinst du?« Er schüttelte den Kopf.
    »Das ging nicht. Die feste Kundschaft fühlt sich an der Nase herumgeführt, wenn wir ihr einen delikaten Leckerbissen auf den Tisch stellen. Wenn schon, dann wollen sie alles, Kartoffeln und Soße, oder belegtes Brot. Der große Hit ist Fischpudding mit drei toten Krabben, serviert auf sozialdemokratischem Graubrot von gestern. Majonnaise und Petersilie bekomme ich zurück. Aber eines Tages, wenn du glaubst, eine Belohnung verdient zu haben, dann solltest du bei der Harfe am Strandkai vorbeischauen. Grüß Samos von Frida im Fønix und sag, er habe dich geschickt. Dann bekommst du geräucherte Entenbrust in Orangensoße, und du kannst das alles mit einem Trinkhalm verzehren. Aber jetzt muss ich mich hier in der Ecke um einen kleinen Freund kümmern.«
    Nina Granum hatte die Lokalzeitung gelesen. Ehe sie ging, riss sie einen Artikel oder eine Anzeige heraus, sie faltete das Papierstück zusammen und steckte es ins Portemonnaie.
    Rebekka hatte sich die Zeitung gesichert. Auf Seite 16 fehlte ein Viereck, unter der Überschrift »Veranstaltungen, Vereins-leben u. ä.«.
    Als sie ihr eigenes frisch gekauftes Exemplar öffnete, konnte sie feststellen, dass Nina Granum mit dem Gedanken spielte, sich zu einem Keramikkurs in der Grundschule von Nybyen anzumelden.
    Ja, ja, dachte sie. Was sein muss, muss sein.
    Die Harfe? Die nehme ich mir morgen vor.
    Aber dann hörte sie seine Stimme. Noch nach zwei Jahren erkannte sie seine leicht verschliffene Sprechweise. Sie fuhr zusammen, doch die Hand, die die Tasse hielt, blieb ganz ruhig, das sah sie immerhin. Er sagte etwas über einen Film, als er hinter ihr vorbeiging und zusammen mit einem anderen Mann die belegten Brote ansteuerte, sicher war das sein Kompagnon oder ein Angestellter. Sie füllten ihre Teller und baten um Bier. Bezahlten und setzten sich.
    Frida zwinkerte ihr zu. »Zwei mit Fischpudding.«
    Fischpudding und Bier. Er hatte andere Gewohnheiten gehabt, damals, als sie beschloss, ihn kennen zu lernen.
    Sie ging zum Telefon auf dem Flur und meldete sich zu dem Keramikkurs an.
    Während der Kabeljau in der Pfanne braun wurde und die Mandelkartoffeln kochten, trank sie große Schlucke Rotwein und dachte an Leo. Dass sie ihn anrufen würde. Dass sie ihn nicht anrufen würde.
    Zuerst hatte sie das für unklug gehalten, diese Sache musste sie allein durchziehen. Trotzdem: Sie konnte ihm doch gerade so viel geben, wie sie selbst wollte. Ihn als Soldaten anwerben und ihn in den Krieg schicken, sollte sich das als notwendig erweisen. Ja, in den Krieg, Leo. Mit auf den Rücken gefesselten Händen und verbundenen Augen!
    Sie dachte an seinen Blick, an den kleinen Finger, den sie nicht mehr hatte.
    Der Fisch schmeckte wunderbar. Sie hatte es gut. Endlich hatte sie es gut.
    Aus dem Nachtbuch:
    Ich habe das Gefühl, bereits die Hände in den weichen Ton zu schieben. Es ist widerlich und ein bisschen schön. Ich hasse Keramik. Klobige Tassen und Schüsseln und Aschenbecher, die sich als Mordwaffen eignen. Es wird Spaß machen, jedes einzelne Produkt unten im Garten zu rotem Staub zu zerschlagen. Sie zieht wütend an ihrer Zigarette. Das tut gut. Rauchende Menschen streben immer zueinander. Bestimmt trinkt sie auch gern einen. Ich rede sie schon mit Vornamen an. Heute hat sie gesagt: Rebekka! Um mich herum brennt es! Die ganze Welt hat Feuer gefangen!
    Aber sie hat mich. Sie weiß es nicht, aber sie hat mich. Egal, was passiert, sie hat mich.
    Fischpudding und Bier. Will er dem Volk aufs Maul schauen oder ist er nicht ganz bei Kasse? Heute Morgen war es so schön! Das gelbe Licht des Wohnzimmers, das in den Nebel hinausfiel. Aus dem Schornstein stieg Rauch auf, sie heizen mit Holz, wie Oma und Opa. Ich saß da und erinnerte mich an die Düfte von damals, an den Geruch von Birkenholz und frisch gekochtem Kaffee. Der kleine Junge ist so niedlich! Nina sitzt mit dem Morgenkaffee in der Küche, während der kleine Mann sich auf Legosteine und seine Holzeisenbahn konzentriert. Dieses Bild ist wirklich ganz lebendig.
    Ich weiß nicht, was ich mit Leo machen soll. Wer ist er? Was macht

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