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Die Puppe an der Decke

Die Puppe an der Decke

Titel: Die Puppe an der Decke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingvar Ambjörnsen
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Black Metal angesagt, dazu schmuddelige Hallodris mit niedrigem IQ.
    Es ging so schnell. Es kam ihr total unwirklich vor. Im einen Moment saß der Junge am Tisch und gab sich alle Mühe, schief und kumpelhaft zu lächeln. Im nächsten stieß sein Gesicht gegen den Glasaschenbecher, Kippen spritzten über den Tisch und ein dünner Blutstrahl traf die weißgekalkte Wand. Bimbos Hand lag noch immer in seinen Haaren, er rieb das Gesicht mit einem Eifer in die Schweinerei, als drücke er seine allerletzte Zigarette aus.
    Dann gingen die beiden. Alles war ganz still, da begannen das eine Mädchen und der Junge zu weinen. Er fluchte und weinte und spuckte Zigarettenasche und Blut. Andere Gäste strömten dazu und wollten helfen, aber er schlug nach ihnen. Bald darauf taumelte er in die Nacht hinaus, dicht gefolgt von den beiden Mädchen.
    »Wie gesagt«, sagte der Mann neben ihr, »mit denen ist nicht zu spaßen, wenn sie die Jovialen spielen. Ich habe in den Staaten Hell’s Angels gesehen. Und auch Bandidos. Die sind nicht so. Die schlagen keine Rotzgören zusammen.« Er bestellte noch ein Bier und bekam es auch.
    Sie blickte den schmalen Blutstreifen an der Wand an. Und den Tisch, der abgewaschen, den Aschenbecher, der durch einen sauberen ersetzt wurde. Sie hatte ein seltsames Gefühl im Zwerchfell oder noch weiter unten.
    »Kennst du Leo?«, fragte sie.
    »Alle kennen Leo. Ich glaube, er ist krank. Angeblich ist er in Ordnung, aber ich glaube, er ist krank.«
    »Krank? Inwiefern krank?«
    »Er stellt nächste Woche im Heringshaus aus. Du kannst ja mal vorbeischauen und es dir ansehen.«
    »Was stellt er denn aus?«
    »Bilder. Was willst du von ihm?«
    »Nichts. Ich hab ihn mal mit dem Auto mitgenommen.«
    »Nimm dich vor Leo in Acht! Vielleicht will er dich als Modell!« Er lachte schallend.
    Sie hatte es seit Jahren nicht mehr erlebt, aber jetzt schmerzte der kleine Finger, der nicht mehr vorhanden war.
    Sie sitzt in dem dunklen Zimmer, sie sieht nur das blaue Licht des Computers, die halb durchsichtigen Gummihandschuhe, die zusammengeknüllt auf dem Schreibtisch liegen, die Glut in der Zigarette.
    Aus dem Nachtbuch:
    Ich bin so wunderbar angetrunken. Ich habe von der Telefonzelle auf dem Marktplatz aus angerufen. Und er selber meldete sich, seine Stimme ist eigentlich ein bisschen sexy, aber ich war Bimbo, kalt und hart, ich stand da und dachte an das viele Blut in seinem Körper. Ich glaube, ein erwachsener Mensch hat vier oder fünf Liter Blut, er hat vielleicht noch ein wenig mehr, wo er so feurig ist. Ich dachte an den Aschenbecher auf dem Tisch und an den Blutstreifen an der Wand, und ich sagte nichts, ich war Bimbo im Verhör, stumm wie ein Fels, bis er grunzend den Hörer auf die Gabel knallte. Da gestand ich meinem Spiegelbild in der dunklen Fensterscheibe alles, ich gab wahrheitsgemäß alles zu, Niels Petter, sagte ich. Ich habe das falsche Abzeichen auf deinen Blazer genäht. Hot Rats.
    Sie streift die Gummihandschuhe über und zieht die Diskette aus dem Computer. In eine Gefriertüte eingewickelt, passt sie genau in den Spalt zwischen der Wand und der schweren Kredenz.

7
    Im grauen Tageslicht warf die Puppe keinen Schatten, aber als der Abend kam und sie im Wohnzimmer die Kerzen anzündete, ließ die Dunkelheit sie über die Wandtäfelung tanzen. Sie konnte lange davor sitzen und das Schattenspiel betrachten, das sich in der warmen Luft des Kamins entwickelte. Es war eine alte Puppe, mit einem Kopf aus Holz, aufgemaltem Lächeln und roten Rosen auf den Pausbäckchen. Die Augen waren früher einmal himmelblau gewesen, jetzt waren sie verschossen und verblasst, die Haare hatte die Zeit weggenagt. Der Matrosen-anzug war fleckig und zerlumpt, die Puppe hatte eine weite Reise hinter sich, sie hatte die wilden Liebesmeere eines kleinen Mädchens durchsegelt, Sturzseen von Geständnissen, über alle stillen Tiefen der Geheimnisse.
    Sie sang für die Puppe. Schlug mit der Faust auf den Tisch und sang für sie.
    Ansonsten war sie sehr vorsichtig. Sie machte lange Spaziergänge, ließ sich im Fønix aber nicht blicken, nicht im Stjernesti, nicht im Piraten. Sie rief Leo nicht an, sie rief niemanden an und niemand rief sie an. Das ganze Wochenende hindurch blieb sie im Haus, sie kochte einen Lammeintopf und trank dazu Wein, trank mehr Wein, sie trank zu viel, aber das war ihr schnurz, sie hatte sich so lange in Acht genommen, und zu ihrer Überraschung hatte sie am nächsten Tag keinen schweren Kopf mehr.
    Am

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