Die Puppenmacherin: Psychothriller (German Edition)
Foto?«
»Von Mutter. Auf dem Sterbebett hat sie versucht, mir verständlich zu machen, wo sie es versteckt hielt. Sie wollte, dass ich es an mich nehme.«
Der Vater sah ihn an.
Trojans Stimme kippte. »Es war in ihren letzten Lebensminuten. Du warst im Nebenzimmer, und ich –.«
Er brach ab. Die Erinnerung überwältigte ihn.
Erst nach einer Weile hatte er sich wieder gefangen.
»Sie hatte es an der Rückwand ihrer Wäschekommode befestigt.«
Der Vater schlug die Augen nieder.
»Es war ihr wichtig, dass ich es finde. Sie musste etwas loswerden, bevor sie starb. Ich denke, sie hat die Aufnahme selbst gemacht. Mit deiner Polaroidkamera.«
Die Miene seines Vaters war wie versteinert.
»Du weißt doch noch, wer die Frau auf dem Foto ist, nicht wahr?«
Er schwieg, rührte sich nicht.
»Susanna Halm«, sagte Trojan leise. »Die junge Frau aus dem Nachbarhaus. Die Frau, die ermordet wurde.«
»Worauf willst du hinaus?«
Trojan ballte die Hände im Schoß zu Fäusten. Er schwitzte.
»Ich hab dich gesehen, Vater. Du bist in das Haus gegangen, kurz bevor sie starb. Ich war ein kleiner Junge, und ich hab dich gesehen. Wenig später wurde Susanna Halm in einem Leichensack herausgetragen.«
Die Haarinsel auf dem Kehlkopf bewegte sich. Der Vater schob den Kiefer vor.
Urplötzlich wuchtete er sich aus dem Sofa hoch.
Auch Trojan stand auf. Er war größer als sein Vater, und doch duckte er sich vor ihm und zog den Kopf ein.
Für einen Moment standen sie sich sprachlos gegenüber. Dann ging der Vater zum Fenster.
Er wird bucklig, dachte Trojan, er wird sterben, und ich bin nicht mehr Kind.
Der Vater schwieg lange Zeit, dann drehte er sich zu ihm um. »Nils«, sagte er mit rauer Stimme, »du phantasierst dir was zusammen.«
Er sah ihn nur an.
»Ja, ich war an dem Tag in dem Haus. Ich hab bei ihr geklingelt, aber sie hat nicht aufgemacht.«
»Was wolltest du bei ihr?«
»Ich hab damals einen Wandschrank in ihrer Wohnung eingebaut. Sie hatte nicht viel Geld, aber ich hab ihr einen fairen Preis gemacht, schwarz natürlich. Jedenfalls wollte ich an diesem Tag noch ein paar Kleinigkeiten verbessern.« Er sah zu Boden. »Möglicherweise lebte sie da schon nicht mehr.« Er stieß die Luft aus und blickte auf. »Nils, ich habe keine Ahnung, warum deine Mutter dieses Foto geschossen hat, und ich habe nichts mit dem Tod dieser Frau zu tun, glaube mir.«
Trojan musterte ihn. »Wo war dein Werkzeug, als du zu ihr gegangen bist?«
Er schnaubte verächtlich. »Aber, Nils, das ist doch lächerlich!«
»Ich hab dich ohne Werkzeug in das Haus gehen sehen.«
»Du warst ein kleiner Junge, wie willst du dich an all das noch erinnern?«
»Bitte antworte auf meine Frage, das ist mir wichtig, Vater.«
»Natürlich hatte ich mein Werkzeug dabei.«
»Und du kannst dir wirklich nicht vorstellen, warum euch Mutter heimlich fotografiert hat? Schau dir das Foto an, der Blick dieser Frau, sie schien dich ja regelrecht angehimmelt zu haben.«
»Aber ich bitte dich!«
Sie schwiegen.
Dann sagte Trojan leise: »Sie war deine Geliebte, nicht wahr?«
»Nils, das ist Unsinn!«
»Bitte, Vater, sag mir die Wahrheit.«
»Ist das jetzt ein Verhör, oder was?«
»Nein. Ich bin zu dir gekommen, weil ich nicht mehr schlafen kann, seit mir dieses Bild, seit es« – er blickte verzweifelt zu dem Polaroid hin –, »es lag bei mir im Keller, gut versteckt, über all die Jahre, aber nun ist es hier, und ich –.«
Er rieb sich über die Augen.
Da sprach der Vater leise: »Sie ist mal mit mir spazieren gegangen, das ist alles. Sie hatte irgendwas auf dem Herzen. Wenn ich mich recht erinnere, hatte es mit ihren Männergeschichten zu tun. Da gab es jemanden in ihrem Leben, der nicht gut zu ihr war. Ich vermute, dass er sie verprügelt hat. Es ging auch um Geld und –.« Er brach ab und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber das ist doch alles eine Ewigkeit her, ich verstehe nicht, warum dich das so aufregt.«
»Diese Frau ist ermordet worden, und ich hab dich gesehen, wie du kurz zuvor in ihr Haus gegangen bist, deshalb regt mich das auf, Vater.«
»Wie kannst du dir eigentlich so sicher sein, dass du mich gesehen hast? Wie alt warst du damals eigentlich? Vier Jahre? Fünf? Wirklich, Nils, ich glaube, du bringst da einiges durcheinander.«
Er schluckte. »Mutter starb, ich war allein mit ihr, und sie versuchte, mir etwas zu sagen.«
»Nils!«
»Sie wollte unbedingt, dass ich das Foto finde.«
»Ja, schon gut. Kann ja sein,
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