Die Puppenspieler
auf ihn gerichtet waren. Er haßte es, zu versagen, und biß sich auf die Lippen. Sicher meinte sein Lehrer nicht einfach, daß Kuno im Einklang mit den Lehren der Kirche stand? Er überdachte ihren raschen Wortwechsel noch einmal, starrte auf Bruder Albert, der ihn ungerührt musterte, und hatte auf einmal eine Erleuchtung.
»Selbstverständlich kenne ich meinen Fehler«, entgegnete er so lässig wie möglich. »Wenn Alexander zu Bethos sagt: ›Es wird heute regnen‹, ist das eine Aussage. Wenn Alexander außerdem sagt: ›Heute werde ich auf einer Wolke reiten‹, ist das eine andere. Die zweite Aussage ist offenkundig unwahr, aber daraus folgt nicht, daß auch die erste Aussage unwahr ist.«
Einige der Schüler schauten ein wenig verwirrt drein, doch Bruder Albert nickte befriedigt. »Ausgezeichnet. Aber«, er zwinkerte Richard zu, »ich will doch nicht hoffen, daß du mit deinem Beispiel sagen willst, daß du die Aussage, es gäbe Hexen, für unwahr hältst?«
»Niemals«, versicherte Richard im Brustton der Überzeugung.
Auch die Geißelungen bescherten Bruder Ludwigs Nächten keinen Frieden. Er verschwieg dem alten Bruder Hermann, bei dem er beichtete, seine sündigen Gedanken, und wurde darauf von noch heftigeren Gewissensbissen gequält, denn so empfing er den Leib des Herrn in Sünde. Trotzdem befand er sich bald darauf wieder im Städtchen und folgte Zobeida heimlich, während sie von einem Haus zum anderen ging, um ihre Kranken zu versorgen.
Doch wenn sie ihn nicht bemerkte, ein anderer tat es. Ludwig beobachtete, wie sie sich gewaltsam aus dem Griff eines Mannes losmachte, den er als Emmerich Kühn zu erkennen glaubte, und wollte ihr schon zur Hilfe eilen. Nichts hätte ihm größere Freude bereitet, doch Emmerich Kühn machte keine Anstalten, Zobeida weiter zu belästigen, sondern sah ihr nur nach. Als sie außer Hörweite war, rief er höhnisch: »He, Ihr da, Mönchlein! Ihr könnt aus dem Schatten kommen!«
Ludwig erschrak und suchte Zuflucht in der Autorität des Priestertums. Er trat hervor und versuchte, gelassen zu wirken. »Was habt Ihr mit dieser Frau zu schaffen, Kühn?« fragte er harsch. Der Schreiner spuckte aus.
»Die da ist ein übles Weib. Sie hetzt meine Frau gegen mich auf, und irgend etwas hat sie auch gemacht, so daß ich seit Tagen mein eigenes Weib nicht mehr besteigen kann. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Aber versucht mal, aus der etwas herauszukriegen. Frech wird sie, das ist alles. Heidenweib! Ungläubige, verdammte!«
»Sie ist getauft«, murmelte Ludwig und wollte weitergehen. Die Gesellschaft des Schreiners war ihm widerwärtig, und er verlor Zobeida aus den Augen.
Kühn grinste höhnisch. »Getauft, wie? Das glaubt Ihr doch selbst nicht, Pater, daß die eine Christin ist! Aber ich wette«, sein Grinsen wurde breit, »im Bett wäre sie nicht schlecht. Man sagt, diese Art Weiber verstünde sich besonders gut darauf. Was meint Ihr, Pater?«
»Ihr seid betrunken, Meister Kühn, und solltet drei Ave Maria beten, weil Ihr in meiner Gegenwart solche Reden geführt habt«, sagte Ludwig, doch selbst in seinen eigenen Ohren klang es falsch und heuchlerisch. Er wandte sich um und floh, vom schneidenden Gelächter des Schreiners begleitet.
»Ihr seid mir immer wieder gefolgt«, sagte Zobeida, und blickte auf den Mann hinab, der unglücklich an ihrem Tisch saß. »Warum tut Ihr das, Bruder Ludwig?« Natürlich kannte sie den Grund. Es hatten sich schon mehrmals Männer in sie verliebt, obwohl sie versuchte, es gar nicht erst dazu kommen zu lassen, und sich so streng und zurückhaltend kleidete wie sonst nur eine alte Frau. Doch wenn die Männer so direkt herausgefordert wurden, es auszusprechen, drückten sie sich gewöhnlich, flohen und beendeten ihre Vernarrtheit, zumindest die Schüchternen, zu denen sie Bruder Ludwig zählte.
Ludwig indessen war an einem Punkt angelangt, wo er nicht mehr fliehen konnte. Wie schon einmal sagte er mit zitternder Stimme: »Ihr müßt mir helfen, Frau Zobeida …« Es war das erste Mal, daß er ihren Namen laut aussprach, den er durch Fragen erfahren und seitdem tausendmal leise gewispert hatte. Zobeida. Zobeida Zobeida Zobeida …
»Wie kann ich Euch helfen«, sagte Zobeida kopfschüttelnd, »wenn Ihr mir nicht sagt, was Euch fehlt, und statt dessen Euer Übel verschlimmert? Geht zurück in Euer Kloster, Bruder Ludwig, und nehmt ein kaltes Bad.«
Diese Abfuhr brachte ihn auf die Beine. Mit mehr Energie, als er sich selbst zugetraut hatte,
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