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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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die sein Vater aus Italien mitgebracht hatte, genügte schon, um ihm ein derartiges Verbot als völlig unsinnig erscheinen zu lassen.
    Er bemühte sich, nicht auf das kleine goldene Kreuz zu sehen, das neben der Gemme lag; längst nicht so zart gearbeitet, hatte es dennoch eine gewisse Schönheit; es stammte aus Augsburg. Es handelte sich um das einzige Erinnerungsstück an die Familie seines Vaters in diesem Haus. Jene Familie, die seine Mutter haßte. Was Richard von ihr wußte, erfüllte ihn mit tiefer Abneigung: die Artzt' waren Angehörige des Augsburger Stadtpatriziats, seit Generationen schon, stellten Bürgermeister und Stadtschreiber, besaßen viele Häuser in dieser schwäbischen Stadt, die wegen ihres Reichtums in aller Munde war – und sie hatten Markus aus der Familie verstoßen, weil er die Sarazenensklavin geheiratet hatte, die er auf dem Sklavenmarkt in Venedig erworben hatte.
    Nach einem erbitterten Streit mit seinen Eltern hatte Markus Augsburg für immer verlassen, was wohl für alle die beste Lösung war. In Augsburg erfuhr niemand, daß ein Mitglied der Familie Artzt eine Heidin zu seiner Gemahlin gemacht hatte, und Markus und Zobeida, die damals schon schwanger war, zogen nach Wandlingen. Richard hatte sich diese Geschichte Stück für Stück aus gelegentlichen Äußerungen seiner Mutter zusammenreimen müssen, denn Zobeida sprach nicht häufig von der Familie ihres Gemahls, und an seinen Vater hatte er nur ein paar vage, verschwommene Erinnerungen. Früher hatte er sich manchmal gewünscht, wie Perseus ein Held zu werden. Perseus, dessen Mutter von ihrem Vater verstoßen worden war. Dann würde er wie Perseus siegreich zu dem großmächtigen, arroganten Großvater gehen, ihm nur einen vernichtenden Blick zuwerfen – und dann im Jubel der Menge weiterziehen. Doch das waren kindische Träume, und langsam wurde er zu alt dafür.
    Er schürte das Feuer unter einem großen Kessel mit heißem Wasser, den seine Mutter bereitgestellt hatte. Baden galt unter Christen abwechselnd als teuflisch und wohltuend. Zur Zeit sah man es wieder einmal als wohltuend an, und für die reichen Patrizier der großen Städte war es selbstverständlich, eine Badestube im Haus zu haben. Im kleinen, etwas rückständigen Wandlingen jedoch war man noch immer mißtrauisch und hielt sich, wenn überhaupt, an den Fluß. Richard hingegen nahm bei seiner Heimkehr immer als erstes ein Bad; seine Mutter hatte ihn mit dieser Gewohnheit der arabischen Völker großgezogen.
    Die Feuerstelle war so gebaut, daß er mit einigem Geschick das erhitzte Wasser leicht in den hölzernen Badezuber kippen konnte, den er geholt hatte. Richard zog sich hastig aus und ließ sich dann zufrieden in der nassen Wärme nieder, die ihn angenehm schläfrig machte. Was wohl die anderen sagen würden, wenn sie ihn jetzt sähen? Er konnte es sich vorstellen.
    Er war nicht eigentlich unbeliebt in der Klosterschule, aber er hatte auch keine wirklichen Freunde, und das Bewußtsein, daß seine Mutter eine Fremde war, hatte ihn für die anderen Schüler, die entweder dem reicheren Bürgertum oder dem Landadel der Umgebung entstammten, immer schon andersartig erscheinen lassen. Dabei war ihm die offen feindselige Haltung, welche die Nachbarn früher an den Tag gelegt hatten, immer noch lieber als die Seitenblicke und das versteckte Getuschel, das ihm bisweilen im Kloster begegnete.
    Nicht, daß Richard sich je sehr um die Freundschaft der anderen Kinder bemüht hätte. Er hielt einen großen Teil seiner Altersgenossen für stumpfsinnige Jasager und zog die Gesellschaft seiner Mutter der ihren bei weitem vor. Und er liebte die Erzählungen ihrer weichen, musikalischen Stimme, die meist viel interessanter waren als die albernen Streiche, mit denen sich Thomas oder Kuno die Zeit vertrieben.
    Er hatte sich gerade abgetrocknet und war in ein frisches Hemd und eine Hose geschlüpft, als seine Mutter zurückkehrte. Schnell lief er auf sie zu, küßte sie auf die Wange und sagte auf arabisch: »Herrin, warum verschwendet Ihr Euren Glanz nur an diese unwürdige Hütte!«
    Zobeida lachte. Sie sah etwas müde und erschöpft aus. »Was ist heute geschehen?« fragte sie zurück. »Hast du etwas angestellt? Ich hatte schon auf dich gewartet, als Emmerich Kühn kam.«
    Richard erzählte ihr von der Unterredung mit dem Abt und brachte sie noch einmal zum Lachen, als er heftig gestikulierend Bruder Ludwig parodierte.
    »Diese Ketzerei kann ich nicht dulden, Richard! Was fällt

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