Die Quelle
einem nützen kann. Aber meine Treue.«
»Gilt Dagon?«
»Ja.« Er rieb sich den Borstenkopf, stand auf, und zu Keriths Überraschung faßte er sie um die Hüften und umarmte sie mit unterdrücktem Lachen. »Du bist ein treues Weib, Kerith.« Er küßte sie. »Und eines Tages wirst du nach Jerusalem kommen.« Er küßte sie noch einmal und hielt dabei ihre Arme fest, so daß sie sich nicht losmachen konnte. »Und Jahwe wird dich erwarten.« Er küßte sie zum letztenmal und verließ das Haus, immer noch leise lachend. Kerith aber stand allein im Zimmer und fühlte sich befleckt, nicht durch seine Küsse - die verstand sie schon -, sondern durch seine Gotteslästerung. Langsam sank sie neben dem Stuhl ihres Gatten auf die Knie und betete.
»Jahwe, laß mich zu deiner Stadt emporsteigen. Laß mich singend durch deine Tore ziehn, Jerusalem.«
Beim Abschiedsmahl für Amram - es fand noch am selben Abend statt - hörte der Feldherr voll Erstaunen, wie Wiedehopf bekanntgab: »Statthalter, ich verlasse mein Haus an der Westmauer.« Kerith stieß einen Freudenschrei aus: »Jerusalem?«
»Nein«, entgegnete Wiedehopf. »Morgen beginnen wir mit dem großen Schacht, und ich baue mir ein neues Haus gleich daneben.« Bei den Gästen erhob sich über diese Nachricht fröhliches Lärmen. Er aber fügte ernsthaft nickend hinzu: »Die Arbeit ist so wichtig, daß ich immer dasein muß.«
»Ein guter Gedanke!« rief Amram. »Laßt uns das gleich feiern.« Mit einer Fröhlichkeit, die nicht ganz echt war, führte er die Gesellschaft aus dem Haus des Statthalters über die Straße an den stillen Läden vorbei zum Brunnentor. Hier zeigte ihm Wiedehopf die Stelle, wo der Schacht gegraben werden sollte. Amram schüttete ein Glas Rotwein auf die Erde und hielt eine kurze Rede, deren spöttischer Ton kaum zu überhören war: »Es ist lange her, daß ich ein so reizendes Städtchen besucht habe mit so netten Menschen.« Er verbeugte sich vor dem Statthalter und vor Kerith. »Und auf allen meinen Reisen habe ich keine besseren Befestigungen gesehen als diese hier, die der von euch Wiedehopf genannte Mann gebaut hat.« Die Menge jubelte über dieses allergnädigste Lob. Aber Amram selbst machte die Wirkung seiner Worte zunichte, indem er den Kopf wie ein Wiedehopf hob und senkte. Man hörte Kichern. »Ich bin sicher«, schloß er, »daß der neue Brunnenstollen, wenn er jemals fertig werden sollte, ein Wunderwerk im Norden unseres Landes sein wird.« Kerith begriff jetzt: Der Feldherr machte sich lustig über Wiedehopf und über Makor, und diese Enttäuschung bestimmte ihr endgültiges Urteil über ihn: Was für ein bedauernswerter Mann! Er darf in Jerusalem wohnen, so nahe bei Jahwe und König David, ohne erkannt zu haben, wieviel diese Stadt, dieser König und dieser Gott bedeuteten!
Als die etwas sonderbare Feier zu Ende war, lächelte Amram Kerith herablassend zu und sagte: »Geh nach Hause und hilf deinem kleinen Mann seinen kleinen Schacht zu graben. Vielleicht werdet ihr beide eines Tages nach Jerusalem kommen.« Sie fühlte sich gedemütigt. Dennoch stand sie am Morgen darauf in der Menge auf der Stadtmauer, um dem Feldherrn zum Abschied zuzuwinken. Als er in Richtung Megiddo verschwand, dachte sie abermals, wie sonderbar es doch im Leben zuging: Dieser da achtete Jerusalem so gering, aber ihm war es vergönnt, in der Stadt zu wohnen, während ihr, die sie sich wahrhaft verzweifelt nach Jahwe sehnte, dies verweigert blieb. Wie ungerecht war das Leben! Tränen traten in ihre Augen. Diese Tränen sah Meschab. Mit unverhüllter Verachtung blickte er Kerith an. Die aber wunderte sich, was ihn wohl dazu veranlassen mochte. Sie ging mit Wiedehopf nach Hause. Aber mit ihm konnte sie auch nicht sprechen, denn er war jetzt so mit dem Bau des Schachts und seines neuen Hauses beschäftigt, daß sie öfter als je zuvor sich selbst überlassen blieb, sich selbst und ihren Gedanken an Jerusalem, die der Feldherr nur noch mehr angeregt hatte. Allein im alten Haus mit ihren beiden Kindern, sah sie mit einer von keinerlei Gefühlsbewegungen mehr getrübten Deutlichkeit, was sie zu tun hatte: Genauso sorgfältig, wie ihr Mann seine Arbeiten vorbereitete, mußte sie ihren Weg nach Jerusalem vorbereiten, zur Burg des Einen, des wahren Gottes. Drei Jahre - das war eine lange Zeit. Sie wußte das, aber sie glaubte doch auch zu wissen, daß der zynische Rat des Feldherrn Amram richtig gewesen war: »Verlaß dich auf die Beendigung des Baues.« Das
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