Die Quelle
wollte sie tun, mit allem Mitgefühl und aller Liebe, die sie einst für ihren Mann empfunden hatte, denn sie konnte eines nicht abstreiten: Dem Baumeister Jabaal hatte der Feldherr durchaus seine Hochachtung ausgedrückt, wenn er auch für den Mann Wiedehopf nichts als Spott übrig gehabt hatte.
So widmete sie sich ganz der Aufgabe, ihren Gatten zu unterstützen, im Vertrauen darauf, auf diese Weise den Weg nach Jerusalem zu bahnen. Sie half ihm, sich im neuen Haus einzurichten, und hörte ihm verständnisvoll zu, wenn er ihr von seinen Schwierigkeiten erzählte. Äußerlich war sie mit dem Leben in Makor zufrieden, und sie achtete auch die Götter der Stadt; aber keinen Augenblick vergaß sie ihre Sehnsucht nach Jerusalem und nach Jahwes Nähe. Ein paar Monate waren vergangen, als eine traurige Nachricht nach Makor gelangte: König Davids Feldherr der Streitkräfte im Osten, Amram, war in einem Gefecht mit den aufständischen Moabitern gefallen. Nachdenklich ging Kerith noch einmal in das alte Haus und in das Zimmer, in dem sie mit Amram gesessen hatte. Und jetzt sah sie nur noch den selbstsicheren Mann vor sich, der hochmütig von Jahwe und König David gesprochen hatte. Warum konnte ein so wenig für das Geistige empfänglicher Mensch so hoch emporsteigen in der Stadt des Geistes Jerusalem? Als Wiedehopf bei Tisch eine Gedenkrede auf den Gefallenen hielt, blieb sie stumm. »Er war der Urheber unseres Glücks«, sagte der kleine Baumeister, »und, noch wichtiger, er hat mir fünfzig neue Sklaven nicht nur versprochen, sondern auch geschickt.« Wiedehopf war sehr betroffen vom Tod des Feldherrn, denn auch er hatte gedacht, nach Beendigung seiner Arbeit am Brunnenstollen werde man ihn nach Jerusalem berufen, wo er in Amram einen mächtigen Gönner zu finden hoffte. Und nun war der Mann, der sich für sein Vorhaben eingesetzt hatte, tot! All die Arbeiten für die Sicherung des Brunnens benötigten drei Jahre, wie Wiedehopf es vorausgesagt hatte. In den ersten siebzehn Monaten wurde der senkrechte Schacht, dessen Mittellinie fünfzehn Armlängen maß, gegraben. Wiedehopf achtete scharf darauf, daß die Mittellinie genau die Richtung der Fahnenreihe einhielt. Anfangs ging es hinab durch Schutt. Dabei fanden die Sklaven Reste aus einer Zeit, da es noch kein Eisen gegeben hatte, sondern nur Bronze (das war, als die Hebräer ihren El-Schaddai hierher gebracht hatten), dann aus noch älteren Tagen (als die Kanaaniter dem Baal einen Monolithen errichteten) und endlich aus jener nur noch in der Sage fortlebenden Zeit, als die Menschen nichts als Werkzeuge aus Stein kannten und Urs Sippe die erste Steinsäule für El aufstellte. Was so beim Graben ab und zu an Bemerkenswertem zutage kam, brachte Wiedehopf seiner Frau mit; bald waren die Wandborde im größten Zimmer des neuen Hauses mit allerlei alten Tonfigürchen und Metallstücken angefüllt. Wiedehopf hatte sich auch eine eigene Meinung über diese Funde gebildet, die freilich niemand mit ihm teilte: Was sich an den Wänden des Schachts als übereinanderliegende Schichten abzeichnete, hielt er für die Spuren vieler Städte, die nacheinander entstanden und wieder verschwunden waren. Besonders eine feste Schicht von schwarzem Ruß hatte es ihm angetan, die sich fast fünf Armlängen unter der Erdoberfläche fand. »Ich meine, daß Makor damals abgebrannt ist«, sagte er zu Meschab und dachte dabei an die Lieder und Sagen, die vom großen Feuer nach dem Kampf zwischen Baal und El-Schaddai erzählten. Wiedehopfs Mitbürger, denen er das ebenfalls erzählte, schüttelten den Kopf. Die Asche einer Stadt, die vor so langer Zeit niedergebrannt war, mußte doch schon längst vom Regen davongeschwemmt sein! Zum Beweis dafür zündeten sie ein Feuer an und spülten dann die Asche mit einem Eimer Wasser fort. Viel später erst fand Wiedehopf die richtige Antwort: »Natürlich könnt ihr ein bißchen Asche wegspülen. Sie schwimmt von hier nach dort. Wenn aber alles Asche ist? Hier und dort! Wo soll sie dann hin?« Doch zu dieser Zeit gruben sich die Sklaven schon durch den Fels.
Jetzt erwies sich Meschab der Moabiter als besonders wertvoller Mitarbeiter. Das Gestein in dieser Gegend war ein nur wenig verfestigter Kalk, den man mit Wasser erweichen und dann wie harten Lehm bearbeiten konnte. Man trieb Werkzeuge mit Eisenkanten hinein und brach große rechteckige Brocken, die sich gut zum Häuserbau eigneten. Meschab entdeckte das beste Verfahren: Der Boden de Schachts wurde in
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