Die Quelle
später im Jahr an Wettkämpfen innerhalb seines Amtsbereichs teilnehmen. Im Hin und Her des Ringens wollte er endlich die Scheußlichkeiten vergessen, die er heute erlebt hatte.
Nackt bewegte er sich zwischen gleichfalls nackten Jünglingen, lobte die Geschickten, beriet die Ungeschickten und kam schließlich zu einem dunkelhaarigen jungen Mann namens Menelaos, der ungewöhnlich starke Schultern hatte. Er zog den Gegner des Menelaos beiseite, sagte: »Sieh mir einen Augenblick zu«, und nahm sich dann Menelaos vor. Sofort spürte Tarphon, mit welcher Kraft der gegen ihn anging - er mußte achtgeben, daß der Jüngere ihn, den Geübteren, nicht in die Knie zwang. Anerkennend knurrte er: »Junger Freund, gut, weiter so!« Und nun ging er zum Gegenangriff über. Alle anderen Ringer stellten ihre Übungen ein, um ihrem Gymnasiarchen beim Kampf mit Menelaos zuzusehen. Wäre es dem Jüngeren darum gegangen, sich bei Tarphon beliebt zu machen, so hätte er den Gymnasiarchen sicherlich gewinnen lassen; aber hier beim Wettkampf stand Gleich gegen Gleich. Immer wieder griff Menelaos an, stets darauf bedacht, seinen Gegner bei einer Unachtsamkeit zu ertappen; der Ältere hingegen, mit der ganzen Erfahrung dessen, der an den Ausscheidungskämpfen in Athen teilgenommen hatte, versuchte seinem hitzigen Gegner eine Falle zu stellen. Schon glaubte Tarphon, es sei ihm geglückt, als er mit raschem Griff Menelaos’ rechtes Bein fassen wollte. Der jedoch wich mit einer äußerst geschickten Drehung aus, packte zugleich den Gymnasiarchen am Hals - beinahe hätte er ihn geworfen. Jetzt erst zeigte der Statthalter sein ganzes Können. Blitzschnell erkannte er, was Menelaos vorhatte. Er gab etwas nach, als müsse er dem Zwang des gegnerischen Griffes folgen. Menelaos wurde unvorsichtig und wollte sich mit seinem ganzen Gewicht auf Tarphon werfen, aber da hatte der Gymnasiarch ihn schon, wo er ihn hinhaben wollte: Geschickt schleuderte er ihn zwischen die Zuschauer, wo er strauchelte und auf die Knie fiel.
Die jungen Athleten klatschten Beifall und drängten sich um den rothaarigen Statthalter. Ein paar Ältere, die den Ringern zugesehen hatten, riefen schmeichlerisch: »Es gibt wenige im Reich, die es mit unserm Gymnasiarchen im Ringen aufnehmen können.« Tarphon hörte gar nicht hin, sondern winkte Menelaos heran und erklärte ihm, jede Phase im Ablauf des Kampfes wiederholend, welchen Fehler er in seinem Übereifer gemacht hatte. Die im Dampfbad Sitzenden konnten durch den weiten Zugang sehen, wie die Muskeln der beiden sich spannten, während sie Griff um Griff noch einmal machten - bei Tarphon konnte man lernen, wie man auf dieses Zupacken mit jener Wendung und umgekehrt zu antworten hatte! Es war ein prächtiger Anblick: zwei Männer, die ihren Körper bis ins letzte beherrschten. »Demetrios«, rief plötzlich Tarphon, »aufgepaßt!« Und schon warf er sich dem hochgewachsenen Jüngling entgegen, der weniger geübt war als Menelaos. Nochmals führte Tarphon vor, wie er mit Menelaos gerungen hatte. Aber Demetrios war kein gleichwertiger Gegner für den Statthalter. Schon bei seinem ersten Fehler drückte Tarphon ihn an die Wand. Da sprang Menelaos vor und rief: »Gymnasiarch, aufgepaßt!« Und er stemmte sich mit wilder Wucht gegen den Statthalter, so daß er ihn zwang, zurückzuweichen. Wahrscheinlich hätte er Tarphon geworfen, wenn dieser nicht zu lachen begonnen und seinem Herausforderer auf die Schulter geklopft hätte.
»Du hast gewonnen!« Tarphon sagte es voller Anerkennung. Aber die Schmeichler unter den Zuschauern riefen laut: »Hätte unser Gymnasiarch gewinnen wollen, wäre er leicht mit ihm fertig geworden.« Lächelnd flüsterte Tarphon seinem jugendlichen Gegner zu: »Wir wissen’s besser. Bei den Spielen in Ptolemais wirst du bestimmt siegen. Und in Antiochia solltest du auch gewinnen können.« Er stockte, als wolle er noch etwas Wichtiges sagen, besann sich aber anders. Es war ein Augenblick brüderlicher Verbundenheit. Man schwitzte, man war müde bis zur Erschöpfung. Aber man war eines Sinnes. Jetzt kamen Sklaven mit sichelförmigen Klingen, mit denen die Ringer das Öl, den Schweiß und den Schmutz abschabten, ehe sie ins Bad hinübergingen. Während Tarphon noch mit dem Bronzeschaber über seine Hüften strich, sich wohlig entspannend, erschien ein weiterer Sklave und meldete: »Gymnasiarch, der Jude Jehubabel ist da.« Tarphon sagte zu Menelaos: »Du gehst besser ins Bad, ehe dein Vater kommt.« Die
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