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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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einem kühlen Trunk mit Freunden, die gerne zusahen, wie die jungen Männer von Makor sich für die Ausscheidungskämpfe vorbereiteten, die in größeren Städten wie Damaskus und Antiochia stattfanden. Tarphon war noch immer ein ausgezeichneter Athlet; während seiner Studienzeit in Athen hatte er das Seleukidenreich im Ringen und im Laufen vertreten; im Ringen nahm er es auch jetzt noch mit den meisten jüngeren Männern seines Bezirks auf, und als Läufer war er in seiner Heimatstadt geradezu berühmt: Jahr für
    Jahr legte er leichte Sandalen an, schlang ein kleines Tuch um seine Lenden und lief die acht Meilen vom Haupttor in Makor bis zum Sammelpunkt in Ptolemais, wo er Läufer aus der Umgegend zum Wettkampf aufforderte; wenn er die schnellsten auch nicht mehr überholen konnte, so schnitt er doch niemals schlecht ab. Es hatte zum Teil an den gut gemeinten, aber verfehlten Bemühungen dieses ehrlichen und wackeren Mannes gelegen, wenn die Juden von Makor in die jetzige schwere Bedrängnis geraten waren. Denn Tarphon empfand gerade für sie eine besondere Zuneigung. Viele Jahrhunderte lang hatten seine Ahnen Seite an Seite mit ihnen gelebt, und einige seiner Vorfahren hatten sich sogar dem jüdischen Glauben angeschlossen.
    Tarphon war es gewesen, der mit den Juden verhandelte, als die ersten Erlasse zur Unterdrückung der Juden bekanntgegeben wurden, und er hatte großzügig jene Zugeständnisse vorgeschlagen, welche die Härte der Gesetze linderten. Mit dieser Großzügigkeit aber hatte er verhindert, daß die Juden von Makor schon den ersten, noch nicht so strengen Gesetzen Widerstand leisteten. Er und seine Frau Melissa sahen gern Juden bei sich zu Besuch, hörten sich ihre Kümmernisse an, waren stets bereit, ihnen zu helfen, wenn sie amtliche Bescheinigungen brauchten. Sie verhalfen jüdischen Jungen zum Studium. Sie gaben Geld zum Bau eines Daches für die Synagoge. Tarphon war auch derjenige gewesen, der den Ausweg erdacht hatte, daß die Juden dem Antiochos ihre Huldigung nach Sonnenuntergang darbringen und so vermeiden konnten, die Sabbatruhe zu brechen. Auf diese Weise hatte er aber unbewußt daran mitgewirkt, den Widerstandswillen der Juden zu lähmen - so zu lähmen, daß sie hilflos waren, als es mit der Verfolgung Ernst wurde. Und nun konnte Tarphon seine Freunde nicht mehr länger vor Folter und Todesstrafe beschützen - unfähig zu begreifen, was in der Welt um ihn vorging, die ihm bisher so friedlich erschienen war, hatte Tarphon, hinter einer Säule am Tempeleingang verborgen, Zeuge der schauerlichen Geißelung werden müssen.
    Diese Marter war aber zugleich auch die Folge der Unzulänglichkeit jener Männer, die an der Spitze der jüdischen Gemeinde standen. Hätte nur einer unter ihnen die Kraft und den Mut gefunden, alle Juden um sich zu scharen zu entschlossenem Widerstand! Aber die Zeiten waren längst dahin, als ein Patriarch wie Zadok willens war, sich sogar mit seinem Gott über Krieg oder Frieden zu streiten und dabei sein eigenes Leben und das seiner Sippe aufs Spiel zu setzen. Wer sprach jetzt noch mit dem HErrn? Es gab unter den Juden auch keinen Gerschom mehr, den Sänger mit der siebensaitigen Leier, der aus seinem Herzen unmittelbar zum Herzen seines Gottes gesprochen hätte. Jetzt suchte man lieber einen bequemen Ausweg oder erwies einem falschen Gott unaufrichtige Verehrung. Und ganz gewiß gab es in Makor keine alte Frau mehr wie die Witwe Gomer, die sich dem Feldherrn der Ägypter und der Macht Nebukadnezars entgegengestellt hatte. Jetzt hatten die Juden nur noch einen Jehubabel, einen untersetzten, bärtigen Mann in der Mitte der Vierzig, der eine Färberei besaß und sich deshalb vor allem darum sorgte, ob er auch genug Purpur aus den Städten des Nordens und rote Farbe aus Damaskus bekam. Es war ein schwerwiegender Irrtum gewesen, Jehubabel zum leitenden Mann der jüdischen Gemeinde zu machen, denn er war weder energisch noch sonderlich fromm. Zwei Eigenschaften brachte er für die Aufgabe mit, in die man ihn hineingestoßen hatte: Er wohnte unmittelbar neben der Synagoge, und er galt als weiser Mann; das heißt, er hatte die heiligen Schriften der Juden gelesen - und sie zum größten Teil wieder vergessen. Dafür kannte er allerdings eine ganze Menge guter alter
    Sprichwörter. Jehubabel war ein wahrer Meister in solchen Alltagsweisheiten. Wenn er von seinen Färberküpen zur Synagoge ging, blieb er gern und oft stehen, um sich mit seinen jüdischen Nachbarn zu

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