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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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englische Frau, so solide sie auch daheim sein mag, verliert offenbar den Verstand, sobald sie sieht, wie ein Pickel in den Boden geschlagen wird. auf eine nette Art, wohlgemerkt.« Um diese Theorie nicht Lügen zu strafen, hielt der englische Kameramann es mit Mädchen aus dem Kibbuz -Cullinane konnte es ihm nicht einmal verübeln.
    Trotz des anstrengenden Dienstplans, den Eliav aufgestellt hatte, gab es im Kibbuz allerlei gesellige Veranstaltungen; besonders gern versammelte man sich an den langen Sommerabenden zum Volkstanz. Es hatte sich herumgesprochen, daß der große Boss Junggeselle war, was ein paar sehr hübsche Mädchen veranlaßte, ihn auf die Tanzfläche zu schleppen. Das Akkordeon spielte Volksweisen; die Paare wirbelten im Kreis, mitgerissen von den herrlichen alten Tänzen aus Rußland oder von den Bergen des Jemen. Doch für Cullinane waren die Mädchen aus dem Kibbuz alle zu jung, als daß sie ernsthaft für ihn in Betracht gekommen wären. In einer Hinsicht allerdings mußte er doch seine Meinung ändern - eine Meinung, in der er anfänglich mit Tabari übereingestimmt hatte: »In Amerika habe ich immer geglaubt, Volkstänze seien etwas für Mädchen, die zu häßlich und zu dick für moderne Tänze sind. Hier ist das ganz anders.« Inzwischen war es Juli geworden. Mit einigem Unbehagen sah er, daß Vered Bar-El bei den Abenden im Kibbuz meist mit Eliav tanzte. Sie waren ein hübsches Paar. Seine lässige Gestalt bewegte sich mit männlichem Charme nach den ländlichen Klängen, während ihr kleiner Körper sich besonders graziös in den Pirouetten drehte. Dann flogen die Petticoats fast parallel zum Tanzboden dahin. Um diese Zeit arrangierte Tabari Abendausflüge zu historischen Stätten wie Tiberias am See Genezareth oder zu den romantischen Ruinen von Caesarea, der alten Hauptstadt aus den Tagen des Königs Herodes. Dort sah Cullinane Vered im Abendlicht neben einer Marmorsäule stehen, die einst des Königs Garten geziert hatte. Vered erschien ihm wie die Verkörperung Israels, eine dunkelhaarige, schöne Jüdin aus biblischen Zeiten. Gerade wollte er zu ihr gehen und es ihr sagen, als Eliav neben ihr auftauchte. Er hatte hinter der Säule gestanden und ihre Hand gehalten. Cullinane kam sich vor wie ein Narr.
    Und dann kam ein Abend um Mitte Juli. Cullinane war zum Tell gegangen. Er wollte ihn einmal im Mondschein sehen. Da schreckte er auf: Am nördlichen Rand der Hochfläche bewegte sich eine Gestalt. Zunächst glaubte er, ein Arbeiter wolle einen Fund aus der Kreuzfahrerzeit stehlen; aber dann erkannte er Vered Bar-El. Er lief auf sie zu, schloß sie in seine Arme und küßte sie mit einer Leidenschaft, die sie ebenso überraschte wie ihn. Behutsam schob sie ihn zurück, faßte mit beiden Händen die Aufschläge seiner Jacke und sah ihn mit ihren dunklen Augen an.
    »John«, lachte sie dunkel, »weißt du nicht, daß ich mit Ilan Eliav verlobt bin?«
    »Was?« Er stieß ihre Hände fort, als habe er Angst vor ihnen. »Aber ja. Das ist der Grund, warum ich an dieser Ausgrabung teilnehme. und nicht an der von Masada.« Schon in Chicago hatte er sich darüber gewundert: Warum läßt Frau Bar-El sich eine sichere Sache wie die von Masada entgehen und will mit mir arbeiten? Er wurde wütend. »Verdammt noch mal, Vered. Wenn er mit dir verlobt ist, warum geschieht dann nichts?«
    Es sah einen Augenblick so aus, als habe sie sich selbst die gleiche Frage gestellt. Schon aber hatte sie sich wieder gefangen und sagte leichthin: »Manchmal sind diese Dinge.«
    Er küßte sie nochmals und sagte sehr ernst: »Vered, wenn er dies so lange hinzieht, warum heiratest du nicht einen Mann, der es ernst meint?« Sie zögerte, als warte sie darauf, daß er sie noch einmal küßte. Dann stieß sie ihn fort. »Du meinst es zu ernst«, sagte sie sanft. »Wie lange seid ihr verlobt?«
    »Wir waren schon im Krieg zusammen. Ich war im gleichen Raum untergebracht wie seine Frau, die dann gefallen ist. Er hat an der Seite meines Mannes gekämpft. Das sind Dinge, die die Menschen miteinander verbinden.«
    »Das hört sich ja an wie patriotische Inzucht.«
    Sie schlug ihm ins Gesicht, mit der ganzen Kraft und Wut, die in ihr aufwallte. »Mir bedeutet es alles. Niemals, nie.« Dann warf sie sich in seine Arme und schluchzte. Nach einer Weile flüsterte sie: »Du bist der Mann, den ich lieben könnte, John. Aber ich habe so verzweifelt für dieses jüdische Land gekämpft. Niemals werde ich einen anderen heiraten können

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