Die Quelle
etwas mehr anziehen.«
»Wie meinen Sie das?« fragte sie unschuldig.
»Die Männer, sie fangen an, sich zu beschweren.«
»Meinst du die Shorts?« Sie lachte über seine Verlegenheit. »Wirklich, John, kein vernünftiger Mann wird sich über Shorts beschweren. hoffe ich wenigstens.«
»Na ja.«, stammelte er.
»Machen die Mädchen ihre Sache nicht gut?« fragte sie, ganz Abwehr. »Doch, doch. Sie sind sogar weit besser als alle anderen, mit denen ich je zusammengearbeitet habe. Aber möchtest du nicht bitte mit ihnen reden.«
»Ich frage mich, ob ich die Richtige bin.«, meinte sie zurückhaltend. »Nun, du bist eine Frau.«
»Aber du hast noch nicht die Shorts gesehen, die ich trage«, sagte sie ruhig. Und dann war Cullinane plötzlich allein. Nervös spielte er mit seinem Bleistift. Am gleichen Nachmittag noch trug sie Shorts. Nicht etwa, daß sie herausfordernd wirkte - aber aufregend genug war sie. Cullinane sah sie, als sie auf den Graben A zusteuerte. Er unterbrach seine Arbeit, um zu beobachten, was nun wohl geschah. Und dann lächelte er: Der Architekt folgte ihr würdig und keineswegs Anstoß nehmend in den Graben. Von Stund an, das wußte er, brauchte er sich nicht mehr darum zu bemühen, die Kibbuzmädchen zur Ordnung zu rufen. Sie waren, wie er Dr. Bar-El gesagt hatte, die tüchtigsten und intelligentesten Arbeitskräfte, die er je beschäftigt hatte, und wenn sie durchaus den Wunsch hatten, tagtäglich ihre Schönheit zur Schau zu stellen, so war dies eben eine der Eigenheiten von Makor. Als dann aber Vered Bar-El an ihm vorbeiging, mit einem Tonscherben in der Hand, fragte er sich: Was würden wohl Macalister und Albright sagen, wenn sie eine Grabung wie diese hier sehen könnten?
Vered Bar-El war eine bezaubernde Frau, dreiunddreißig Jahre alt, seit 1956 Witwe, und dazu eine vorzügliche
Wissenschaftlerin, die bereits von Universitäten mehrerer Länder Berufungen erhalten hatte. Dr. Cullinane wunderte sich eigentlich, daß sie, deren Mann bei den Kämpfen am Sinai gefallen war, nicht wieder verheiratet war. Als er sie einmal beim Weg über den Tell danach fragte, hatte sie ganz offen gesagt: »Ich war mit Israel verheiratet, und eines Tages muß ich mich scheiden lassen.« Er wollte wissen, was sie mit dem ersten Teil dieses Satzes gemeint hatte. Da sagte sie: »Ein Außenstehender kann sich nicht vorstellen, wie schwer wir gekämpft haben, um hier unseren Staat zu errichten. Es hat unsere ganze Kraft gekostet. In Zefat zum Beispiel.«
»Die Stadt in den Bergen?«
Sie stockte. Ganz offensichtlich waren Erinnerungen über sie gekommen, von denen sie einfach nicht reden konnte. »Du mußt Eliav gelegentlich fragen«, sagte sie und lief schnell den Hügel hinunter.
Den zweiten Teil ihres Satzes hatte Cullinane nur zu gut verstanden. Als Sohn eines armen irischen Tagelöhners bei der Chicago-Nordwest-Eisenbahn hatte er nichts anderes gekannt als dies: studieren, sich eine gepflegte Aussprache aneignen und den Dr. phil. machen. Zum Heiraten war er nicht gekommen. Seine sehr fromme Mutter hatte es schließlich aufgegeben, ihm die Töchter ihrer irischen Freundinnen vorzuführen. Trotzdem wußte Cullinane natürlich, daß ein Junggeselle von vierzig Jahren eine recht lächerliche, wenn nicht gar etwas verdächtige Figur abgibt. Durch das großzügige Angebot Paul Zodmans, die Ausgrabung in Makor zu finanzieren, waren ihm für die nächsten zehn Jahre alle wirtschaftlichen und beruflichen Sorgen genommen. Es gab also eigentlich keinen vernünftigen Grund mehr, das Heiraten hinauszuschieben. Aber als ein peinlich ordentlicher Mann, als der Mann, der jede Karteikarte sorgfältigst mit J. C. unterzeichnete, ging er auch dieses Problem mit wissenschaftlicher Objektivität an. Er hatte sich sozusagen durch die Schichten I bis XIII der Chicagoer irischen Gesellschaft gegraben und dabei einige interessante Stücke gefunden, bis jetzt aber in menschlicher Beziehung nichts, was mit dem christlich-jüdischen Eckstein aus Schicht VII von Makor hätte verglichen werden können.
Und da war Frau Bar-El, die täglich Seite an Seite mit ihm arbeitete, nun diese Shorts trug und ihn mit blitzenden Augen und leuchtend weißen Zähnen anlächelte. Eine Frau, an die man gern dachte, wenn man auf der anderen Seite des Tell arbeitete oder im Zelt nebenan schlief. Zweierlei ging ihm dabei durch den Kopf: Wenn überhaupt eine Ehe in Frage kam, so wollte er sich nicht, wie das oft genug bei Männern seines Alters
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