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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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als einen Juden.« Er ließ die Arme fallen. Was sie da sagte, war doch anachronistisch und außerdem irgendwie beleidigend. Und das in diesem Augenblick, in dem zwei Menschen nach echter Zuneigung suchten! Wenn die Juden Europas, die durch alle Höllen gegangen waren, einen Staat nur aufbauten, damit eine attraktive Witwe von dreiunddreißig Jahren so reden konnte. »Du bist mit deinen Ansichten genauso verbohrt wie die irischen Katholiken in Gary. >Wenn du diesen Kerl von Polacken in mein Haus bringst, werde ich euch beide hinauspeitschen. < Das hat mein Vater meiner Schwester gesagt.«
    »Ich habe dich nicht gebeten, mich zu küssen«, wies Vered ihn zurecht. »Es tut mir leid, daß ich es getan habe«, brauste Cullinane auf. Sie nahm seine vor Zorn bebenden Hände und hielt sie an ihre Wangen. »Diese Antwort ist deiner nicht würdig, John, und das weißt du auch. Ich habe dich in den Gräben arbeiten sehen, John. Du willst alles, was es gibt, erforschen, und kein Vorurteil kann dich davon abbringen. Nun gut, du hast hier gegraben und dabei etwas entdeckt, was dir nicht paßt. eine Jüdin, die so viel Schreckliches gesehen hat, daß es in der Welt nur noch eines für sie gibt: Jüdin bleiben.« Der Nachdruck, mit dem sie gesprochen hatte, nötigte Cullinane Respekt ab; aber was sie gesagt hatte, vermochte sein Verstand nicht zu akzeptieren: Wenn er überhaupt etwas von Beziehungen zwischen zwei Menschen verstand, dann wußte er, daß Vered Bar-El niemals Dr. Eliav heiraten würde. Denn sie machte keineswegs den Eindruck, in ihn verliebt zu sein, und auch er schien sie nicht sonderlich zu begehren. Wie dieses Land Israel, zu dem sie sich so stark bekannte, war auch sie gefangen in den Verstrickungen des geschichtlichen Erbes - viel mehr als in denen der Liebe. Und es war ihr anzumerken, daß sie selbst diese Situation erkannt hatte. Cullinane spürte voll Mitleid, wie unsicher sie war, und sagte: »Vered, ich habe zwanzig Jahre nach einer Frau gesucht, einer Frau, die intelligent ist, die große Gedanken mitdenkt, und. nun ja, eine Frau ist. Eine solche Frau ist nicht leicht zu finden, und ich denke nicht daran, dich zu verlieren. Du wirst nicht Eliav heiraten, davon bin ich überzeugt, sondern mich.«
    »Laß uns gehen«, sagte sie. Als sie den Besprechungsraum im Araberhaus betraten, fingen die anderen an zu kichern. Cullinane aber wurde in seiner Meinung bestärkt, als Dr. Eliav sich nicht wie ein eifersüchtiger Liebhaber aufführte, sondern eher wie ein Student zu einem anderen, indem er ganz beiläufig bemerkte: »Es scheint mir, Cullinane, Sie haben meine Braut geküßt.«
    Der Ire fuhr sich über die Lippen, betrachtete seine Fingerspitzen und sagte: »Ich dachte, die Israelinnen sind keine Salonim und haben dem Lippenstift abgeschworen.«
    »Manchmal tun sie’s«, sagte Eliav, »aber später überlegen sie sich’s doch.« Cullinane, entschlossen, dieses Katze- und Mausspiel mitzumachen, streckte ihm die Hand entgegen: »Später einmal, Eliav, wird Ihre Frau Ihnen mit vollem Recht vorwerfen: >Wenn ich dich nicht geheiratet hätte, wäre ich heute in Chicago, bei dem richtigen Mann.<«
    »Ich bin sicher, daß ich das zu hören bekomme«, antwortete der schlanke Jude. Die beiden schüttelten sich die Hand.
    »Wenn das eine offizielle Verlobung ist«, rief der englische Fotograf, »haben wir allen Grund, die Nacht durchzufeiern!« Und schon sprang jemand in einen Jeep, um nach Akko zu rasen und ein paar Flaschen Arrak zu holen. John Cullinane wurden die Lieder und Tänze langweilig. Und wenn er Vered und ihren Verlobten ansah, dann wußte er: Man hatte ihnen diese Verlobungsfeier aufgedrängt. Für ihn war nur wichtig, daß er ihr und sich selbst gegenüber bekannt hatte, wie sehr er sie brauchte. Nur: Wie sollte sich ihr Verhältnis zueinander während der weiteren Zeit der Ausgrabung gestalten?
    Am nächsten Morgen, als Cullinane das eben entdeckte Fundstück skizzierte - es mochte aus der Zeit kurz vor Christi Geburt stammen -, erhielt Dr. Eliav einen Anruf aus dem Amt des Premierministers in Jerusalem: Paul J. Zodman aus Chicago werde heute nachmittag auf dem Flughafen eintreffen. Man solle ihn mit aller Höflichkeit empfangen, wie sie einem Manne zukomme, der so viel für Israel getan habe. Wenige Minuten später kam ein Telegramm für Cullinane, das ihm Zodmans Ankunft mitteilte.
    Nach ein paar weiteren Minuten rief der Vertreter des »United Jewish Appeal« in Tel Aviv an und fragte: »Ist dort die

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