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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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»Komm! Wir müssen zurück an die Arbeit.« Aber Menachem war außerstande, auch nur einen Schritt zu tun - sein Vater mußte ihn fortzerren.
    Hätte der Talmud, den die Rabbinen unter dem Weinstock in Twerija zusammenstellten, nur aus so unbarmherzigen Geboten bestanden, wie es das gegen Menachem ben Jochanan verkündete war, so wäre weder dem Talmud noch dem
    Judentum ein langes Bestehen vergönnt gewesen. Doch der Talmud enthält nicht nur harte Gebote und Verbote. Er ist auch ein Zeugnis jüdischer Daseinsfreude. Neben der strengen Gesetzeslehre finden sich in ihm zahlreiche Stellen, die eine mildere Auslegung des Gesetzes erlauben, und darüber hinaus eine Vielzahl anderer Stellen, die das Riesenwerk zu einem singenden, lachenden, von Zuversicht und Hoffnung erfüllten Ganzen haben werden lassen. Im Talmud hat sich an Liedern und Sprichwörtern, an Fabeln und Geschichten niedergeschlagen, was einem an alledem überreichen Volk zu Gebote stand, und die Rabbinen von Kefar Nachum, von Kefar Birim und von Zefat arbeiteten zudem deshalb so eifrig daran mit, weil ihre Zusammenkünfte ihnen so viel Vergnügen bereiteten - das Vergnügen an der lebhaften Auseinandersetzung und die sprühende Freude an Rede und Widerrede in dem Bewußtsein, dabei dem HErrn nahe zu sein.
    Nur ein solch umfassendes Werk hatte Aussicht, alle Kraft und alle Kameradschaftlichkeit der an ihm Mitarbeitenden zu wecken und zu erhalten, und so wurde der Talmud ein Meisterwerk. Sein endgültiger Umfang ist nicht ganz leicht zu begreifen: Die Thora, auf der er fußt, ist kurz, die Mischna um ein Vielfaches länger, die Gemara sehr viel umfangreicher als die Mischna, und die Kommentare des Raschi, des Maimonides und der anderen Gelehrten sind ihrerseits viel länger als Gemara, Mischna und Thora zusammen. Die Thora besteht aus fünf Büchern, der Talmud aus fünfhundertdreiundzwanzig. Die Thora läßt sich auf zweihundertfünfzig Seiten abdrucken, der ganze Talmud hingegen erfordert zweiundzwanzig dicke Bände.
    In einem wichtigen Kommentar zu diesem gewaltigen, alle Formen sprengenden Werk erscheint der Name des Rabbi Ascher elfmal; dreimal im Zusammenhang mit Bestimmungen zum Gesetz, achtmal an jenen leichten, heiteren Stellen, die den Alltag der Juden Palästinas lebendig werden lassen: »Rabbi Ascher ha-Garsi erzählte: Antigonus, der schlaue Olivenölverkäufer, bediente sich dreifacher List. Er ließ in seinem Maßgefäß sich Bodensatz ansammeln, so daß sein Maß weniger enthielt. Beim Einfüllen hielt er das Maß schräg, damit es aussah, als sei es voll. Und außerdem hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, so auszugießen, daß mitten im Krug eine große Luftblase entstand. Nach seinem Tode richtete der Allmächtige ihn mit seinem eigenen Maß: Der Bodensatz seiner Sünden füllte fast den ganzen Krug. Der Krug wurde so schräg nach einer Seite gekippt, daß die Ewigkeit dem Antigonus zum größten Teil verloren ging. Und an jenem Tag goß der HErr mit solch einer Blase!«
    Zwei Stellen, die vom Grützenmacher stammen, handeln vom Leben der Tiere Galilaeas, wie er es auf seinen Reisen beobachtet hatte: »Rabbi Ascher erzählte: Der Wiedehopf ging am Boden umher, und der Bienenfresser flog am Himmel. Da rief der Bienenfresser: >Ich bin näher dem HErrn. < Aber der Prophet Elia, der zum Himmel hinausspähte, ermahnte ihn: >Der im Erdreich arbeitet, ist immer in des HErrn Armen.< Woraus Rabbi Bag Huna schloß: >Dies beweist, daß der Bauer dem Heiligen, gelobt sei Er!, näher ist als der Händler.< Rabbi Ascher jedoch antwortete: >Nicht doch, Huna. Alle arbeitenden Menschen sind Ihm gleich nah.<«
    Es war eben dieser Rabbi Bag Huna, der die berühmte Begriffsbestimmung des Talmudgelehrten gegeben hat: »Er soll fähig sein, sich so gründlich in die Thora zu versenken, daß ein siebzehnjähriges Mädchen vollkommen nackt an seinem Pult vorübergehen kann, ohne ihn abzulenken.« Wozu Rabbi Ascher bemerkte: »Ich fürchte, nicht viele würden diese Prüfung bestehen.«
    Rabbi Ascher hat drei Bemerkungen zur Thora gemacht: »Werde alt und grau, werde müde und zahnlos, aber empfange die Thora.« - »Das Gesetz ist gleich einem Krug voll Honig. Wenn du Wasser hineingießest, wird der Honig auslaufen, und nach einer Weile wirst du das Gemisch so verschlechtert haben, daß kein Honig mehr übrigbleibt.« - »An der Tür eines Ladens hat ein Mann viele Freunde. Aber an der Tür der Thora hat er den Allmächtigen.«
    Unvergessen ist er jedoch

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