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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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hauptsächlich wegen des fröhlich widerhallenden Lachens, das in Twerija zu hören war, wann immer er dort weilte. Denn Rabbi Ascher der Grützenmacher war der Meinung: »Ein Mann, der lacht, ist schätzenswerter als einer, der weint; eine Frau, die singt, ist schätzenswerter als eine, die klagt. Und der Allmächtige ist sehr nahe dem Kind, das tanzt und weiß nicht warum.« Er trat für eine Auffassung ein, nach der Gott auch Ausgestoßene wie Menachem, den Sohn des Steinmetzen, liebte. Er brandmarkte die Lüge, pries die Würde der Arbeit, redete einer glücklichen Ehe das Wort, an der Mann und Frau in gleichem Maße teilhatten, und legte beständig Zeugnis dafür ab, daß der HErr ein großmütiger und verzeihender Gott sei. »Rabbi Ascher ha-Garsi sagte: >Wenige sind solchen Prüfungen ausgesetzt worden wie Rab Naaman von Makor.< Als die Römer im Begriff waren, die Stadt zu vernichten, wurde ihm Rettung durch die Flucht angeboten, und er ließ seine Freunde im Stich. Als er starb, warf er sich vor dem HErrn nieder und rief:    >Der Makel dieser
    schändlichen Tat ist noch auf meinem Herzen.< Der Allmächtige aber hob ihn vom Boden auf und sagte: >Als du in jener Nacht durch den Stollen entflohen bist, hast du ein neues Verständnis für das Gesetz mit dir genommen, und mit Rabbi Akiba hast du Meine Thora gerettet. Ein Stückchen des Gesetzes, das mit Hingabe behandelt wird, ist wichtiger als hundert Städte, und den Makel auf deinem Herzen wische Ich fort .<« Rabbi Aschers letzte Anmerkung zur Thora war einfach: »Wer die Thora kennt und sie anderen nicht mitteilt, ist wie eine rote Mohnblume, die allein in der Wüste blüht.«
    Gerade die Tatsache, daß er diesen Grundsatz mit besonderem Nachdruck vertrat, machte es ihm unmöglich, sich der Aufforderung zu verschließen, die seine Freunde an ihn richteten: die Schüler der Jeschiwa zu unterrichten, der Talmudhochschule, an der in Twerija junge Gelehrte herangebildet werden sollten. Die Studenten kamen in einem alten, am See gelegenen römischen Gebäude zusammen, und Rabbi Ascher, nun ein kleiner alter Mann mit weißem Bart, trat vor sie hin und sprach, wie es ihm ums Herz war, von den Freuden, die er in der Lehre des Judentums gefunden hatte: »Das Licht, das mich stets geleitet hat, war Rabbi Akiba. Er hat uns die Mischna erhalten, und das Gedächtnis dieses Mannes ist mir lieb und teuer. Seit meiner Kindheit habe ich danach gestrebt, seinen Spuren zu folgen.« Wenn Schüler ihn fragten, warum er gerade Akiba für den größten Rabbi halte, antwortete er: »Er pflegte eine innige, unmittelbare Beziehung zum Allmächtigen, aber er wandte sich auch den schwierigen Fragen zu, wie es den Juden gelingen könne, gleichzeitig dem HErrn treu zu sein, der den Himmel beherrscht, und den Römern gehorsam, welche die Erde beherrschen. Heute könnten wir viel von Akiba lernen.« Als einige hitzköpfige junge Männer unter seinen Studenten, die voller Unruhe der byzantinischen Herrschaft überdrüssig waren, das Lehrgespräch auf die gegenwärtigen Verhältnisse brachten und ihn fragten, wie er sich den byzantinischen Fremdherrschern gegenüber verhalten würde, sagte er unzweideutig: »Betrachtet Akibas letzte Stunden. Er hatte Rom jedes nur mögliche Zugeständnis gemacht. Zuletzt aber mußte er erklären, daß im Widerstreit zwischen dem Willen des Allmächtigen und dem Gesetz des irdischen Reiches dem Willen des HErrn der Vorrang gebührt.«
    Es war deshalb Pflicht eines jeden Schülers, die Absichten des Allmächtigen zu erkunden, und um ihnen dabei behilflich zu sein, bediente sich Rabbi Ascher bestimmter geistiger Übungen: »Da es unser Bestreben ist, den Willen des HErrn zu erkennen, müssen wir eine Schärfe des Geistes entwickeln, die jeden Schatten zu durchdringen vermag, denn das Leben läßt Nebel entstehen, welche die Wahrheit verdunkeln, und so könnt ihr sie nicht erkennen, es sei denn, ihr schärft den Verstand.« Dann öffnete er eine Thorarolle und las aus dem Dritten Buch Mose: »>Diese sollen euch auch unrein sein unter den Tieren, die auf der Erde kriechen: das Wiesel, die Maus, die Kröte, ein jegliches mit allen Arten, der Igel, der Molch, die Eidechse, die Blindschleiche und der Maulwurf. Die sind euch unrein unter allem, was da kriecht.<« Nachdem er die Stelle vorgelesen hatte, sagte er: »Der Heilige, gelobt sei Er!, verbietet Seinem Volk, die Eidechse zu essen. Ich aber möchte, daß ihr hundert Gründe ausfindig macht, warum man die

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