Die Quelle
umständlich aus, daß das Ausgießen von Spülwasser sich folgerichtig aus der Zubereitung der Sabbat-Mahlzeit ergebe, welche Tätigkeit die Rabbinen stets gestattet hätten; der Rabbi von Kefar Birim dagegen behauptete, das Ausgießen von Wasser sei gleichbedeutend mit Säen, »denn aus der frisch begossenen Erde können Samen sprießen«, und Säen war ausdrücklich verboten. Jetzt unterbrach Ascher den Disput mit einer Frage von besonderem Ernst.
»Der Steinmetz, von dem ich erzählt habe. und sein Sohn. ein Hurenkind. Sie stehen draußen. Ich würde sie gern hereinholen.«
Der Rabbi von Kefar Nachum widersetzte sich dem Ansinnen, Einzelfälle zu besprechen, doch ein alter Weiser, der aus Babylonien zu den Beratungen gekommen war, sagte: »Unser großer Rabbi Akiba hätte selbst eine Unterredung mit dem Heiligen, gelobt sei Er!, unterbrochen, um mit Kindern zu sprechen. Hole den Jungen.«
Also ging Rabbi Ascher wieder hinaus auf die Straße und forderte Jochanan und Menachem auf, ihm in den kühlen Hof zu folgen. Dort konnten nun die Gelehrten mit eigenen Augen sehen, welch vielversprechender Jüngling da vor ihnen stand.
Und der Alte aus Babylonien rief: »Wo solche Jugend erscheint, geht die Sonne auf!«
Menachem mußte sich den großen Gesetzeslehrern gegenüberstellen; sein Vater blieb an der Mauer stehen und hörte zu. Schließlich einigten sich die Gelehrten auf ein typisch rabbinisches Urteil: »Unter keinen Umständen darf ein Hurenkind in die Gemeinde des HErrn aufgenommen werden, bis ins zehnte Glied nicht. Aber es gibt eine Möglichkeit.«
Der alte Weise aus Babylonien erklärte, wie diese Möglichkeit gegeben war: »Rabbi Tarfon seligen Angedenkens und auch Rabbi Schammua haben gesagt: >Laßt den in der Hurerei Gezeugten, wenn er sein zwölftes Jahr vollendet hat, einen Gegenstand stehlen, der mehr als zehn Drachmen wert ist. Dann wird er festgenommen und einer jüdischen Familie als Sklave verkauft. Darauf wird er mit einer Sklavin jüdischen Glaubens verheiratet. Und nach fünf Jahren läßt der Besitzer sie beide gehen - sie werden Freigelassene. Und ihre Kinder werden in der Gemeinde des HErrn willkommen sein.<«
Jochanan vernahm die Worte mit dumpfem Staunen. Während die Rabbinen sehr ernsthaft erörterten, wo der Diebstahl stattfinden müsse, damit er ein ehrenhafter Diebstahl sei, und wie und vor welchen Zeugen der Jüngling festgenommen werden müsse, hatte der Steinmetz das Gefühl, eine ganze Welt von Unbegreiflichkeiten entlade sich vor seinen Ohren. Was die Rabbinen da redeten, war doch der helle Wahnsinn! Und ein Mann, der keinen langen Bart hatte und kein Gelehrter war, mußte ihnen das einmal sagen. Erbittert blickte er auf seinen stattlichen Sohn, wie dieser befangen vor den Richtern stand, die diesen unglaublichen Vorschlag beratschlagten. Am liebsten hätte er seinen Jungen bei der Hand genommen und aus dem Kreis dieser doch offenbar geistesverwirrten Alten weggeführt. Aber dann hörte er sich von dem Rabbi aus Babylonien aufgerufen und trat, ohne es eigentlich zu wollen, gehorsam neben seinen völlig niedergeschlagenen Sohn.
»Jochanan, Steinmetz aus Makor«, sagte der fromme Alte, »du siehst nun, welchen Kummer das unverantwortliche Tun eines halsstarrigen Mannes über ihn selbst und seine Nachkommen bringt. Rabbi Ascher hat uns berichtet, daß du ermahnt worden bist, keine gesetzeswidrige Beziehung zu einer verheirateten Frau einzugehen. Aber du tatest es dennoch. Nun hast du kein Weib, und dein Sohn befindet sich in schwerer Not.«
Bisher hatte Menachem ruhig vor seinen Richtern gestanden und ihre Erörterung seines Falles als eine Wiederholung des Schimpfs hingenommen, unter dem er nun seit seiner Kindheit litt; selbst Rabbi Aschers Gespräche mit ihm hatte er so verstanden. Doch als der Fremde aus Babylonien jetzt Worte von unpersönlicher Wucht erdröhnen ließ: ». niemals imstande zu heiraten. auf immer ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Juden. einziger Ausweg, ihn als Sklaven zu verkaufen. er kann niemals rein werden, seine Kinder aber können gerettet werden.«, begriff der Jüngling die ganze Schwere dessen, was diese Worte bedeuteten. Krampfhaft schluchzend schlug er die Hände vor das Gesicht, um nicht sehen zu lassen, wie sehr er sich schämte. Nur einmal blickte er auf, ob nicht wenigstens einer ihm Trost schenken konnte, aber die Gesetzeslehrer hatten keinen Trost zu vergeben. Da endlich legte Jochanan seinen Arm um ihn und sagte mit ruhiger Stimme:
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