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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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einen steilen Berg, und von hier aus sah der Jüngling zum erstenmal die schimmernde Wasserfläche und den Marmor von Twerija. Gebannt von der Schönheit des Landes standen Vater und Sohn: Berge hielten den See in purpurner Umarmung; braune Felder lagen weich wie Vogelgefieder; grauer Dunst stieg vom Jordan auf, und in den Wiesen leuchteten die Blumen gleich Sternen. Und jetzt, da der Steinmetz, der äußerlich so wenig von einem Künstler hatte, zum blinkenden See hinabschaute, stand ihm plötzlich sein ganzes Mosaik vor Augen: die Berge, der See, die Ölbäume und die Vögel - alles hatte nun den rechten Platz, und jäh spürte sich Jochanan von jenem zehrenden Schaffensdrang überfallen, der nichts anderes neben sich duldet. Das Bild des Mosaikfußbodens hatte Jochanan nun im Kopf - es mußte lediglich noch in die Wirklichkeit umgesetzt werden -, und das hieß abermals fünf Jahre Arbeit. Beim Weg durch die einst so schöne und nun verfallende Stadt hinab zum Ufer bemerkte Jochanan halb mit Genugtuung und halb mit Mißvergnügen, daß viele Mädchen, die in den Straßen und bei den Fischerbooten müßig herumstanden, sich nach dem stattlichen Jüngling umsahen. Und wieder einmal bedauerte er, daß er nicht doch, wie er es sich einst vorgenommen hatte, von Makor weggegangen war und mit seinem Jungen anderswo ein neues Leben begonnen hatte. Aber der Bau der Synagoge hatte ihn in Makor festgehalten, und mit dem Widerstreit zwischen selbsterwählter Pflicht und Auflehnung war sein einfaches Gemüt nicht fertig geworden.
    Schließlich fanden Jochanan und Menachem das schlichte Haus, in dem die Gesetzeslehrer disputierend beisammensaßen. Jochanan schickte einen Boten hinein mit der Bitte, Rabbi Ascher davon zu unterrichten, daß Besucher gekommen seien. Erst nach einer Stunde erschien der kleine Rabbi, mit traurigem Blick, weil er den anderen Rabbinen eine Stelle im Gesetz, die einen bestimmten Willen des Allmächtigen ausdrückte, nicht hatte erklären können. Als er jedoch Menachem ernst in der Sonne stehen sah, wurde ihm wieder bewußt, wie redlich und aufrecht dieser Jüngling seine Bürde trug, und ehrliche Bewunderung für Menachem ließ seinen Kummer weichen.
    »Ich freue mich, dich zu sehen, Menachem«, sagte er freundlich. »Wir sind bereit, mit dem Boden anzufangen«, unterbrach ihn Jochanan in seiner kurz angebundenen Art.
    »Gut«, antwortete Ascher ohne sonderliche Begeisterung. »Aber mir fehlt etwas dazu.«
    »Verschaff es dir.«
    »Ich werde nach Ptolemais gehen müssen. und brauche Geld.« Rabbi Ascher runzelte die Stirn. Gleich den anderen großen Gesetzeslehrern bekam er wenig genug an Geld zu sehen. Doch er war willens zuzuhören. »Worum handelt es sich?«
    »Das Bild, wie ich es vorhabe.«
    »Was stellt es dar?«
    »Galilaea.«
    »Was ist mit dem Bild?«
    »Ich brauche Purpur dafür. An vielen Stellen purpurne Steine. Und ich habe keine gefunden.«
    »Ich weiß, wo es sie gibt«, sagte der Rabbi. »Hinter Zefat.«
    »Ja, die habe ich auch gesehen. Aber das Gestein ist bröckelig.«
    »Und in Ptolemais, haben sie da purpurne Steine?«
    »Nein, aber Purpurglas. In kleinen rechteckigen Stücken.«
    Rabbi Ascher dachte eine Weile nach. Gut - Jochanan sollte den Boden machen. Aber Geld dafür ausgeben? Nein, das ging nicht. »Wozu brauchst du Purpur?« fragte er deshalb streng.
    »Für Eisvogelfedern. Und für den Wiedehopf auch.« Rabbi Ascher erwog die Antwort sorgfältig. »Bilde andere Vögel ab.«
    »Daran habe ich auch gedacht«, antwortete Jochanan. »Aber für die Berge brauche ich ebenfalls Purpur.«
    »Aha. Ja - ich kann mir’s vorstellen.« Rabbi Ascher wandte sich jetzt Menachem zu und sprach mit ihm wie mit seinesgleichen. »Bringt die Mühle genug Geld ein, Menachem?« Und als der Jüngling nickte, sagte der Rabbi: »Kauft das Glas in Ptolemais.«
    »Ich werde auch einiges goldfarbenes Glas kaufen«, brachte nun Jochanan vor. »Gold? Das klingt wie Zierat.«
    »Es ist Zierat«, gab der Steinmetz zu, »aber so wird der Boden schön glänzen. an ein paar Stellen nur.«
    Rabbi Ascher gab nach. Schon wollte er seine Handwerker entlassen, als ihm nochmals Menachems traurige Lage einfiel. »Wartet einen Augenblick«, sagte er und ging in den Hof, um sich mit den anderen Rabbinen zu beraten, die gerade darüber diskutierten, ob eine Hausfrau am Sabbat schmutziges Spülwasser ausgießen dürfe oder nicht. Schon seit einigen Tagen beschäftigte sie dieser Streitfall. Der Rabbi von Zefat führte

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