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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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und die Angriffe planen. Volkmar hingegen vergaß niemals den Anblick, wie Gunther freiwillig seine leibliche Schwester den Feinden preisgab. »Um zu uns zu stoßen«, sagte Volkmar ingrimmig, »mußte er mitten durch den Troß mit den Frauen reiten. Er hat meine Tochter dabei fast überrannt, seine eigene Nichte.« Und nie mehr konnte der Graf von Gretsch das schreckliche Bild aus seiner Erinnerung verbannen, wie seine Frau an dem zusammengebrochenen Wagen stand und Holda von diesen Türkenhunden vergewaltigt wurde.
    Düstere Bitterkeit befiel ihn. Stets hielt er sich abseits von den anderen, sprach nur mit Wezel und auch mit diesem nur über Dinge des Glaubens. Als eines Tages Gunther mit einigen Frauen aus dem Gefolge Balduins kam und seinem Schwager eine fünfzehnjährige Französin zuführte mit dem Rat: »Nimm sie mit ins Bett und vergiß!«, sprang Volkmar wütend auf und stürzte sich mit dem blanken Schwert auf Gunther. Er hätte ihn umgebracht, wenn Wezel ihm nicht in den Arm gefallen wäre und das Mädchen weggeschickt hätte. Bald danach sah Volkmar das Mädchen wieder. Es saß auf Gunthers Pferd und hatte von hinten die Arme um den Ritter und das blaue Kreuz auf seiner Schulter geschlungen. Mit welch frechen Augen dieses Ding um sich schaute! Volkmar schämte sich. War das ein Kreuzzug? Wie viele Frauen hatte dieser Unhold dem Feind ausgeliefert? fragte er sich voller Abscheu. In Ungarn, in Bulgarien und in den ersten beiden großen Schlachten hatte Gunther den Tod von zweitausend Frauen verschuldet. Und wie viele von ihnen waren für einige Zeit seine Bettgenossinnen gewesen? Aber er hatte auch jetzt noch immer Hunger nach Frauen. Und er fand auch immer welche.
    Vor Antiochia - einst war es die drittgrößte Stadt des Römischen Reiches gewesen, oft von den Caesaren besucht und mit Prachtbauten geschmückt, dann die geheiligte Stadt, in der das Wort »Christ« zum erstenmal ausgesprochen worden war - erwies sich Gunther abermals als tapferer und umsichtiger Feldherr. Am 21. Oktober 1097 begann die Belagerung der riesigen Festungsstadt. Im Juni des Jahres darauf, nach vielen blutigen Sturmangriffen, lagen die Christen noch immer vor den Mauern. Dreimal galt es während der Belagerung wichtige Entscheidungen zu treffen. Und dreimal war es Gunther, der diese Entscheidungen traf. Nachdem die Kreuzfahrer die Stadt eingeschlossen hatten, erschien völlig unerwartet ein Bote aus dem Süden - ein Moslem aus Ägypten. Volkmar wollte ihn erschlagen. Aber Gunther hielt seinen Schwager zurück und brachte den Ägypter zu den Heerführern. Es war kaum zu glauben, was der Heide vorschlug: ein Bündnis zwischen seinem Volk und den Kreuzfahrern, um die türkischen Emporkömmlinge zu vernichten. Gunther setzte sich mit Eifer für ein solches Bündnis ein. »Mit Ungläubigen?« wütete Volkmar. »Mit jedem, der ein Heer hat«, entgegnete Gunther.
    »Das würde unseren heiligen Kreuzzug beschmutzen«, warf Volkmar ein. »Wenn wir gesiegt haben«, sagte Gunther ruhig, »können wir uns von dem Schmutz reinigen.«
    Und so arbeitete er mit dem Moslem einen Feldzugsplan aus, nach dem die Ägypter Jerusalem den Türken abnehmen und die Kreuzfahrer Antiochia stürmen sollten. War Antiochia erst einmal gefallen, so mußte das Rückgrat der Türkenmacht, die Kette von Hafenstädten, brechen. Das Bündnis brachte allerdings kaum Nutzen. Als die Ägypter nämlich, getreu ihrer Zusage, Jerusalem eingenommen hatten, so daß die Kreuzfahrer - wenn auch sie wirklich zuverlässige Bundesgenossen gewesen wären - die Heilige Stadt ohne Kampf hätten besetzen können, kümmerten sich die Christen nicht mehr um die Abmachung. Denn verbitterte Kreuzfahrer wie Graf Volkmar, die ohnmächtig hatten zusehen müssen, wie die Mohammedaner ihre Familien umbrachten, vermochten sich nicht vorzustellen, daß es auch andere Moslems gab mit anderen Zielsetzungen. So schwand nach kurzem Hoffen die Aussicht auf einen mächtigen Bundesgenossen im Osten. Über Gunthers zweiten Erfolg schrieb Wezel:
    »Herr Gunther hatte großes Glück, als unser aller Schicksal ernsthaft gefährdet war. Während wir vor den Mauern von Antiochia lagen, kraftlos geworden und dem Verhungern nahe, wollte der Türkenfeldherr Babek Rache nehmen für seine Niederlage. So eilte er von Osten heran mit fast vierzehntausend Mann. Unsere Heerführer beschlossen: >Wenn wir warten, müssen wir sterben. Deshalb wollen wir ihn angreifen und, wenn es sein muß, in Ehren fallen.< Herr

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