Die Quelle
allerdings suchte er sich sein Schlachtfeld mit der Sorgfalt einer Dame aus, die den passenden Faden für eine Stickerei wählt. Mit Genugtuung sah er zu, wie die Kreuzfahrer in ihrer unsagbaren Torheit eine christliche Niederlassung nach der anderen angriffen und ihre bärtigen Glaubensbrüder umbrachten in der Meinung, es seien Ungläubige. Sie machen die eigenen Verbündeten nieder, dachte er, und schüttelte den Kopf über einen solchen Wahnsinn.
Babek hatte die Absicht, den fränkischen Rittern dieselbe Falle zu stellen wie den ungeordneten Scharen des kleinen Priesters auf dem grauen Esel. Aus der Ferne folgte er dem großen Heer, das sich auf die gleiche Gefahr zubewegte. Diesmal allerdings meldeten ihm seine Späher: »Es sind viele schwerbewaffnete Ritter dabei.« So entschloß sich Babek, dieses Herr nicht von vorn anzugreifen. Geduldig wartete er, bis sich die Hauptmacht der Christen teilte und etwa zehntausend Mann nach Osten abrückten, um die Flanke zu sichern. Drei Tage lang zog er, für die Kreuzfahrer unsichtbar, vor dieser kleineren Truppe her, bis er dessen sicher war, daß sie sich nun weit genug vom Gros entfernt hatte. In der Vorhut der nach Osten marschierenden Heeresgruppe ritt Graf Volkmar von Gretsch, hinter der Mitte des Zuges Gunther von Köln, der stets das beherzigte, was er den anderen so dringend geraten hatte. Mit einer Schar besonders ausgesuchter Ritter sicherte er die Wagen mit den deutschen und französischen Frauen. Insgesamt hundertachtzig erprobte edle Herren ritten im Zug und doppelt so viele Schildknappen und Freie; dazu kamen siebentausend Mann gut bewaffnetes Fußvolk und an die zweitausend Mann Nachhut; der Burgkaplan Wezel und die Frau des Grafen Volkmar befanden sich ebenfalls bei den Wagen. Wind stäubte Sand von den Dünen Kleinasiens auf.
Am 1. Juli 1097 war Babek überzeugt, daß er nun seine Falle zuschlagen lassen konnte. Als die Hitze am größten war, gab er seinen sechzigtausend Kriegern den Befehl, Gunthers weit unterlegene Kreuzritter anzugreifen. Mit atemberaubender Wucht stürmten die türkischen Horden aus ihrem Hinterhalt hervor, auf kleinen, schnellen Pferden. Im Galopp der Attacke überschütteten sie die Franken mit einem Regen von Pfeilen. Besonders auf deren Pferde hatten sie es abgesehen. Man hörte wildes Wiehern, das rauhe Schreien der Ritter, deren Kolonne in Unordnung geraten war, das wahnsinnig gellende Schrillen der Türken, die auf die nur sehr schwach gedeckte Mitte des Heereszuges eindrangen, um schon in den ersten Minuten die Schlacht zu ihren Gunsten zu entscheiden. Aber Babek hatte nicht wissen können, daß er auf Gunther von Köln stieß, der nach einem einzigen Blick auf die sich entwickelnde Schlacht einen Entschluß faßte, über den alle christlichen Ritter sich noch lange gestritten haben: Er schätzte ziemlich genau Zahl und Stärke der heranbrausenden Türken; er sah, daß sie den Troß mit den Wagen überrennen und so die Marschsäule der
Kreuzfahrer in der Mitte aufbrechen wollten, um dann Volkmars Truppe vorn umzingeln zu können, dann seine Abteilung am Ende und schließlich beide zusammenzuhauen; er sah aber auch, daß es möglich war, mit den Rittern eine Front zu bilden, die selbst Babek nicht durchbrechen konnte, sofern sich nur jetzt, jetzt in diesem Augenblick, seine Truppe mit der seines Schwagers vereinigte. Ohne auch nur zu zögern, schrie Gunther von Köln seinen Mannen zu: »Auf! Nach vorn! Zu Volkmar! Los! Los!« Und schon setzte er zu einem wütenden Angriff auf die Reihen der Türken an. Neun Zehntel seiner Abteilung brachte er auf diese Weise tatsächlich zu Volkmar.
Gunthers Entschluß hatte jedoch etwas Furchtbares zur Folge: Die Frauen, die Kinder und der Troß blieben ungeschützt den Türken überlassen. Wütend über den geglückten Vorstoß der Ritter nach vorn, drangen sie auf die Wagenkolonne ein.
Hier begann ein Massaker, an das die Kreuzfahrer für den Rest ihres Lebens nur mit Grauen und Erbitterung dachten. Die Pferde wurden mit Lanzenstichen getötet, alte Männer niedergemacht. Und dann mußten die Kreuzritter aus der Ferne untätig zusehen, wie ihre Frauen aus den Wagen gezerrt wurden. Jede, die auch nur einen Besamen auf dem Sklavenmarkt von Damaskus einzubringen versprach, wurde beiseitegestoßen. Den Rest - es waren die alten und die nicht ganz alten - brachten die Türken erbarmungslos um. Die Gräfin Mathilda wurde vor einen Wagen geschleppt. Fünf türkische Krieger benutzten sie als
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