Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
zu erstürmende Festung; dasselbe taten sie bei einer Reihe arabischer Seehäfen, bei Tripolis, Beirut und Tyrus. So fanden sich die Kreuzfahrer schneller als vermutet vor Jerusalem. »Wenn wir die Stadt genommen haben«, meinte Gunther von Köln, »kommen wir zurück und können die Hafenstädte eine nach der anderen abpflücken wie reife Trauben.« Diese Aussicht gab den Kreuzfahrern neue Kraft. Über jene Zeit der Hochstimmung schrieb Wezel:
    »An jenem Mainachmittag marschierten wir von Tyrus nach Süden auf die Stadt Akko zu, die später Saint Jean d’Acre genannt wurde. Damit verließen wir das ungastliche Land im Norden und näherten uns dem geheiligten Boden Palaestinas, wo unser Heiland Jesus Christus gelebt hat und gestorben ist. Eine große Freude ergriff alle unsere Männer, und jeder spornte sein Pferd an, damit er der erste sei, der ausrief: >Wir haben das Heilige Land erreicht.< In diesem Geiste kamen wir zu einem kleinen Hügel, von dem aus wir hinabsehen konnten auf die heidnischen Türme von Akko, das hinter mächtigen Mauern lag. Ich fürchtete, die gewaltige Stadt werde den Unsrigen den Mut nehmen. Aber unsere Heerführer, riefen: >Wir werden nicht gegen diese Stadt kämpfen. Wir werden sie zurücklassen wie die anderen. Auf, nach Jerusalem! Gott will es!< Und so ritten wir an jenen gewaltigen Mauern vorüber. Mein Herr Volkmar und ich waren auf der linken oder östlichen Flanke und ritten auf den
    See Genezareth zu, als wir plötzlich in der Ferne einige Türken sahen. Wir spornten unsere Pferde an und trabten einem kleinen Hügel zu, um sie in die Flucht zu schlagen, als Herr Gunther von Köln an uns vorbeistob auf seinem neuen französischen Pferd und rief: >Laßt uns das Heilige Land Jesu betreten.< Damit versetzte er uns in solche Erregung, daß wir die türkischen Krieger vergaßen, ihm folgten und südwärts ritten, bis wir auf einen Berg gelangten, von dem aus sich uns der lieblichste Anblick bot, seitdem wir Gretsch verlassen hatten. Im Westen erhoben sich wieder die heidnischen Türme von Akko, glänzend am Ufer des Meeres. Im Osten sahen wir die fruchtbaren, bewaldeten Hügel, die zum See Genezareth abfielen, wo unser Heiland lebte und lehrte.
    Aber genau vor uns auf einem niedrigen Hügel lag die kleine Stadt Makor, und südlich von ihr standen viele Ölbäume. Ihre Moscheen schimmerten in der Sonne, und auf dem Turm einer Basilika erhob sich das Kreuz unseres Heilands. Mein Herr Volkmar rief: >O seht die schöne Stadt und ihre grünen Felder.< Aber noch ehe wir weiterritten, schrie Gunther: Diese Stadt ist mein!< Er galoppierte auf seinem Pferd wie im Wahnsinn den Hügel hinab, ritt hinauf zur Stadt und rief, damit es alle hörten: Diese Stadt ist mein! Sie wird die Hauptstadt meines Lehens!<«
    Unter den Ungläubigen von Makor, die seit einigen Monaten den Vormarsch der Kreuzfahrer nach Süden mit gespannter Aufmerksamkeit beobachtet hatten, gab es keinen, der sich so klug auf den endgültigen Sieg der Franken vorbereitet hatte wie der gegenwärtige Abkömmling aus dem viele tausend Jahre alten Geschlecht des Mannes Ur: Schalik ibn Tewfik, ein falkenäugiger Mann von zweiundvierzig Jahren, der Erfolg und Mißerfolg mit dem ganzen Geschick eines erfahrenen
    Arabers vorauszuberechnen wußte. Ob man ihn freilich wirklich als Araber bezeichnen sollte, blieb strittig; die Leute von Makor konnten sich darüber nicht ganz einig werden, wenn sie zusammensaßen und über ihre Geschäfte mit ihm sprachen. Zugegeben, Schalik war ein Moslem, und in den letzten vier Jahrhunderten waren auch alle seine Vorfahren Mohammedaner gewesen. Aber in kleinen Städten hat man ein gutes Gedächtnis, und die ganz Alten wollten es von den noch Älteren wissen, daß Schaliks Sippe einst heidnisch gewesen war, dann jüdisch und eine Zeitlang christlich, so daß seine Familiengeschichte sich zumindest etwas buntscheckig ausnahm. Andererseits stammten die weitaus meisten Bürger von Makor, die sich als Araber bezeichneten, keineswegs von Ahnen ab, die mit dem wahren Glauben aus der Wüste hierher gekommen waren, sondern, ohne es zu wissen, von Hethitern, Ägyptern oder Kanaanitern. Jetzt aber waren sie alle gute Mohammedaner und galten als Araber, und so stand es jedem Bürger von Makor schlecht an, den wackeren Schalik ibn Tewfik nach seiner Abstammung zu fragen.
    Dieser scharfäugige Schalik verstand ebenso klug Handel zu treiben wie klug zuzuhören. Aus dem, was über die Kreuzfahrer und ihre Art der

Weitere Kostenlose Bücher