Die Quelle
Zielscheibe für ihre Pfeile. Die Glieder bizarr verrenkt, fiel sie zu Boden.
Die jüngeren Frauen, die man in einen Harem verkaufen konnte, wurden im hellen Sonnenlicht entkleidet und mehrmals vergewaltigt. Holda, die Tochter des Grafen Volkmar, befand sich unter diesen Unglücklichen. Wezel schrieb in seiner Chronik über die Seelenqual ihres Vaters:
»Mein Herr Volkmar glaubte die Schreie seiner nackten Tochter zu hören, als die Türken sie von Mann zu Mann stießen. Er gebürdete sich wie ein Rasender und wollte allein auf die Türken losreiten. Aber Herr Gunther hielt ihn mit starkem Arm zurück, und die anderen sagten: >Herr Volkmar, wir können nichts tun.< Und Herr Gunther sagte: >Spare deine Wut für die Türken. Wir werden sie noch viele Tage hier haben. < So wurde mein Herr Volkmar von den Seinen festgehalten. Und als der Nachmittag kam, führte Herr Gunther einen Vorstoß mit nur vierzig Rittern. Die Türken gedachten sie zu überwältigen und setzten ihnen nach. Als alles in Verwirrung war, gab mein Herr Volkmar das Zeichen, und wir, die wir zurückgeblieben waren, ritten unter die Türken wie Schnitter im August in ein gelbes Feld, und wir töteten und töteten bis zum Ende des Tages. Am Abend waren nur einige der Unseren tot, aber eine Unzahl von Ungläubigen. Und um meiner Herrin Mathilda und ihrer schönen Tochter willen ergriff auch ich einen Streitkolben, und wie die anderen tötete und tötete ich.«
Der Feldherr der Türken, Babek, zog sich nach dieser vernichtenden Niederlage zurück. Er vermochte noch immer nicht zu begreifen, wie der blonde Ritter am Ende des Wagenzuges dazu fähig gewesen war, die Lage so rasch zu übersehen und die beiden Hälften des Heeres zu vereinigen. Und Babek war verblüfft über die kluge Strategie der beiden Deutschen, die dann ihre Truppen absichtlich zum zweitenmal geteilt und so sein Fußvolk in die Zange genommen und geschlagen hatten. So war das Ergebnis der Schlacht entmutigend: Die alten Männer und die Frauen der Christen
waren in seine Hand gefallen, die Ritter und das Fußvolk der Kreuzfahrer aber kaum angeschlagen, und er selbst hatte mehr als zehntausend seiner besten Männer verloren. Fast eine Stunde lang überlegte Babek sich, ob er jetzt die Kreuzfahrer, die noch immer in der Minderzahl waren, nicht doch noch überraschend angreifen sollte. Aber er fand nicht die Kraft zu diesem Entschluß. Schon wollte er den Rückzug befehlen, als seine Späher meldeten, die Kreuzfahrer seien zum Angriff angetreten. »Das müssen doch Narren sein!« rief er und ließ in aller Eile seine Truppen aufmarschieren, um diesem wahnwitzigen Angriff zu begegnen.
»Denn wir hatten uns gedacht« (schrieb Wezel von Trier), »daß die Türken sich noch nicht bewußt waren, warum wir gesiegt hatten, und Herr Gunther sagte deshalb: >Laßt sie uns jetzt vernichten, denn sie glauben nicht, daß wir es wagen. < Und mein Herr Volkmar rief wie von Sinnen: Jawohl! Jawohl!<, und so wurde der Befehl gegeben. Aber ehe wir den Hügel hinab und auf die Türken zuritten, nahm mich Herr Gunther beiseite und sagte listig: >Du mußt darauf achten, daß dein Herr nicht bis zu den Türken kommt, denn wenn er erst einmal auf sie stößt, werden wir ihn lebend nicht wiedersehen.< So war es meine Pflicht, den Herrn Grafen zu hindern. Aber ich konnte es nicht. Denn er jagte auf den Feind zu und war der erste unter ihnen. Er schwang seinen starken Arm, und sein schwarzer Helm war stets mitten in den Scharen der Türken zu sehen. Nur durch ein Wunder ist er nicht im Kampf gefallen. Nach unserem großen Sieg bot sich uns ein merkwürdiger Anblick: Mein Herr Volkmar saß auf seinem Pferd, sein Schwert lag im Staub, die Hände hielt er im Schoß gefaltet, und er weinte.«
Babek mußte nach Osten abziehen und melden: »Diese Franken sind ganz anders, als man es uns gesagt hat.« Von nun an wurde es für die Türken, die sich durch ihren ersten leichten Sieg über die Bauern Peters des Eremiten in der wahren Stärke der Kreuzfahrer getäuscht hatten, sehr ernst mit dem Krieg. Zwischen Volkmar und Gunther aber konnte nie mehr Frieden sein, denn Gunther hatte die Frauen den Ungläubigen bewußt geopfert. Die Heerführer des Kreuzzugs jedoch, Gottfried, Hugo, Balduin und der wilde Tankred, meinten, als sie von der Schlacht hörten, daß nur Gunthers Wagemut in den ersten Augenblicken über Sieg oder Niederlage entschieden hatte. So galt Gunther als der Held des Tages und mußte fortan mit ihnen reiten
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