Die Quelle
werden Euch die verabredeten Zeichen geben, aber wir erwarten nicht, daß Eure wenigen Ritter uns zu Hilfe kommen. Es wäre Wahnsinn. Gott segne uns alle in dieser Stunde der Prüfung und sende uns Seine göttliche Hilfe aus einer Richtung, die wir noch nicht kennen.«
Mit dieser Nachricht ging er auf einen der Türme und band das Blatt mit feinem Seidenfaden an den Fuß einer der aus Acre mitgebrachten Tauben. Dann ließ er den Vogel fliegen. Die Taube kreiste über der Burg höher und höher, bis sie ihre Flugstrecke erkannt hatte. Volkmar sah ihr nach, wie sie nach Acre hin verschwand.
Der Aufmarsch der Mamelucken dauerte den ganzen Tag. Es war das größte Heer, das Graf Volkmar je gesehen hatte. Als er in der Abenddämmerung mit seinen Rittern sprach, waren sich alle darüber einig, daß es mehr als hunderttausend sein mußten
- und Ma Cœur verfügte über etwa sechzig Ritter und tausend im Kriegshandwerk ungeübte Bauern. Volkmar ließ die Wachen aufziehen. Dann ging er zu Bett. Er schlief tief und fest.
Zwei Tage lang geschah nichts besonderes. Die Mamelucken schlugen ihre Zelte auf und ließen ihre Sklaven ausschwärmen. Alle Bäume außer den Ölbäumen mußten sie fallen, die Äste abschlagen und die Stämme und Zweige an verschiedenen Stellen zu großen Haufen zusammentragen. Gleichzeitig brachten die Krieger die großen hölzernen Kriegsmaschinen in Stellung; rumpelnd und quietschend schoben sich die Ungetüme heran: die riesigen Wurfmaschinen, die bis zu zweihundert Pfund schwere Steine schleuderten; die leichteren »Scheitans« oder »Satane« für kleinere Ladungen; die gewaltigen Wandeltürme mit Fallbrücken, die auf die Mauern von Ma Cœur heruntergelassen werden sollten; hölzerne Wurfbrücken zum Überwinden des Grabens; Rammböcke mit dicken Eisenköpfen zum Einrennen von Toren und Mauern; Leitern, Enterhaken und Eimer für heißes Pech; dann die wirksamste Waffe: das »Arradah« genannte Katapult, einer riesigen Armbrust gleich, deren Sehne von drei Männern aufgewunden werden mußte und beim Losschnellen einen Bolzen oder einen Pfeil abschoß, der selbst den dicksten Schild durchschlug; und endlich die schrecklichste, die langsam, aber unaufhaltsam dahinkriechende Schildkröte. In der nächsten Zeit sollten die Männer auf den Zinnen jede dieser Waffen genau kennenlernen. Doch schon jetzt sahen sie mit bedenklichem Gesicht auf dieses Kriegsgerät.
Aber mehr noch als durch die Maschinen selbst waren die Kreuzritter durch ihre erstaunlich große Zahl beeindruckt. Sonst führte man bei einer Belagerung einen Wandelturm gegen die Mauern; die Mamelucken hatten deren fünf und außerdem zwei Dutzend Schildkröten. Als alles bereit war, gab der Feldherr der Mamelucken mit drei weißen Fahnen zu erkennen, daß er eine Unterhandlung wünsche.
Nach dem Kriegsbrauch der Zeit öffnete sich das Stadttor, die Zugbrücke senkte sich über den Graben, und das Haupttor der Burg schwang auf, um den Feldherrn und sechs seiner Offiziere einzulassen, denen auf diese Weise Gelegenheit geboten war, genau zu betrachten, was zu bezwingen sie vorhatten. Mit einer Art grimmiger Genugtuung bemerkte Volkmar, daß sich unter den sechs auch der schnurrbärtige Statthalter befand, der damals in Tabarie die Pilger so reich bewirtet hatte, und der kahlköpfige Hauptmann mit der Narbe, der Befehlshaber der Garnison Safet. Die Mamelucken sahen starr vor sich hin. Ihr Feldherr war ein kleiner, rotgesichtiger Mann in den Vierzig mit einem Vollbart und einem langen Schnurrbart. Er trug einen mit Juwelen besetzten Turban und statt der eisernen Rüstung ein Gewand aus dickgestepptem, mit Gold und Silber reich verziertem Brokat. Auch seine Schuhe, die in lange, nach oben gebogene Spitzen ausliefen, waren so geschmückt. Als Waffe trug er einen kurzen Krummsäbel, dessen Griff ebenfalls mit Edelsteinen besetzt war, genau wie der Elfenbeinstab in seiner Rechten. Man sah es ihm an, daß er ein Mann von Bedeutung war, entschlossen, aufs Ganze zu gehen, denn man hatte ihm befohlen, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt Acre fallen mußte, und er wollte sich deshalb nicht unnötig mit der Belagerung von Ma Cœur aufhalten.
Graf Volkmar rief seine Ritter in den Hof, damit der Feind sie sehen konnte; aus dem gleichen Grund ließ er die Bauern mit Speeren bewaffnet überall in der Burg hin- und herlaufen. Und dann erwartete er den Feldherrn der Mamelucken. Der stieg vom Pferd und ging mit ausgestreckter Hand auf Volkmar zu. Die beiden
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