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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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nächsten Morgen jedoch besichtigte der Mameluckenfeldherr schon in aller Frühe die Stadt und befahl den Sturm auf die vier Gotteshäuser; die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen, als die Mamelucken zum Angriff auf die vier Stützpunkte antraten. Gleichzeitig wurde auch mit den Vorbereitungen zur Erstürmung der Burg begonnen. Sklaven warfen Schutt in den Graben, und zwar dort, wo die hölzernen Belagerungstürme in Stellung gebracht werden sollten. Wo der Burggraben den Hauptturm schützte, wurde der äußere Grabenrand weggehackt, so daß ein steiler Pfad hinab zum Grund des Grabens entstand. Diesen Pfad entlang krochen langsam und unheimlich die verhängnisvollen Schildkröten.
    Die Schildkröten. Sie waren eigentlich nichts als niedrige, bewegliche Hütten, noch nicht mannshoch und auch nicht breiter oder länger, aber ungewöhnlich fest gebaut, mit besonders kräftigem Dach. Unter ihnen konnten die Belagerer, vor Pfeilbeschuß, Steinwürfen und Griechischem Feuer geschützt, sich der Mauer nähern und einen Stollen graben, unter dem Fundament des Hauptturms hindurch. Ein solcher
    Stollen mußte freilich viel zu eng werden, als daß man ihn im Innern der Burg ans Tageslicht hätte münden lassen können. Denn wer dort herauskroch, wäre rettungslos niedergemacht worden. Ein solcher Stollen war es nicht, den die Mamelucken unter ihren Schildkröten gruben.
    Jetzt wurden auch die schwersten Wurfmaschinen an den Rand des Grabens gebracht, und bald schleuderten sie riesige Steine gegen die Burg. Die Mamelucken jubelten, als ein Felsbrocken die Wand der großen Halle durchschlug und einen Teil der Mauer wegriß. Dann schossen die Arradahs ihre Pfeile und Bolzen mit tödlicher Kraft gegen die Männer auf der Mauer. Wer getroffen wurde, stürzte von der Brustwehr.
    Doch Graf Volkmars Verteidiger wußten sich zu wehren. Die Sklaven, die den Graben mit Schutt auffüllen sollten, wurden mit Pfeilen und Steinen immer wieder zurückgetrieben. Viele blieben tot oder verwundet liegen. Auf die Schildkröten, die sich zum Grund des Grabens vorzuarbeiten versuchten, warfen die Verteidiger große Steine herab; die Ausbuchtung am Fuß der Mauer ließ die Steine schräg in die dichtgedrängten Angreifer fliegen, denen Arme und Beine abgerissen wurden. Die wirksamste Waffe aber bildeten die Tonkrüge mit dem Griechischen Feuer - Erdöl und Schwefel, in Brand gesetzt mit glühender Holzkohle; es brannte sogar auf Wasser, konnte nur mit Essig oder Talk gelöscht werden und verursachte schreckliche Verbrennungen an Körper, Händen oder Gesicht. Und ohne Unterbrechung flogen von den Türmen, die Gunther einst so wohlüberlegt gebaut hatte, Pfeile auf jeden Mamelucken, der sich der glatten Mauer näherte. Von nun an konnte Graf Volkmar sich seine Tauben sparen. Als es auf Mitternacht ging, ließ er einen Stoß Reisig auf den höchsten Turm ziehen und stieg mit seinem Sohn die Wendeltreppe hinauf. Die Fackel warf riesengroße Schatten auf die Steinmauer. Oben entzündete er das Gestrüpp, so daß, wie verabredet, nach alter Weise das Feuersignal weithin über die Berge von Galilaea leuchtete hinüber nach Acre. Und dort wußte jeder: In Ma Cœur war noch alles wohlauf.
    Das übermütige Prahlen des Feldherrn der Mamelucken, er werde die Burg in einer Woche erobern, hatte sich schon längst als leeres Gerede erwiesen. Er hatte zwar die Moschee dem Erdboden gleichgemacht, hatte die römische und die Maronitenkirche genommen und einreißen lassen. Aber die Basilika der heiligen Maria Magdalena leistete noch immer Widerstand, und am Ende der dritten Woche waren die Versuche, den Graben aufzuschütten, im Schlamm steckengeblieben. Nur drei Wandeltürme standen nahe der Hauptmauer, vorläufig noch unbenutzt. Allmorgendlich begannen zwar die Wurfmaschinen ihre Steine zu schleudern, und die Arradahs schossen ihre Pfeile und Bolzen, aber die Belagerung schien festgefahren. Und allabendlich gaben der Graf und sein Sohn das Zeichen. In Acre sah man es: »Die Feuer von Ma Cœur brennen noch.« Unter den Schildkröten jedoch waren die Angreifer weiter am Werk. Tief im Herzen von Makor, unter der Schicht aus römischer Zeit, unter den Scherben der Griechen und Babylonier, gruben die Sklaven der Mamelucken einen Stollen zum Hauptturm der Mauer. Zoll um Zoll wühlten sie sich voran, und hinter ihnen sicherten andere Sklaven mit dicken hölzernen Stützen den Gang ab. Am Ende jedes Tages betrat einer der Hauptleute den Stollen und maß mit einer

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