Die Quelle
wallenden Gewänder konnten nur Ungläubige tragen! Die beiden wurden hingeschlachtet.
Die Italiener richteten ein grauenhaftes Blutbad an. Armenische Christen, deren Familien seit zwei Jahrhunderten in Acre ansässig waren, wurden erschlagen. Botschafter des Mameluckensultans aus Kairo und mameluckische Gesandte, die sich in der Stadt aufhielten, um Handelsverträge mit den Venezianern abzuschließen, wurden unter dem wilden Gegröhle des Mobs geköpft. Arabische Kaufherren, denen die
Stadt ihren Reichtum verdankte, wurden erstochen. Gotteshäuser, denen nicht anzusehen war, ob sie den Christen gehörten oder den Mohammedanern, wurden geplündert. Das so äußerst empfindliche Gleichgewicht, das den Bestand von Saint Jean d’Acre bis jetzt gesichert, das man in vielen Jahrzehnten geduldiger Anpassung endlich erreicht hatte, es war an diesem einen einzigen Nachmittag dahin.
Auf dem Höhepunkt der Raserei dachte Graf Volkmar plötzlich an die kleine jüdische Niederlassung im Fondaco der Genueser. Er versammelte ein paar Tempelritter um sich und eilte dorthin. Aber auch hier wüteten die neuen Kreuzfahrer. »Tod den Juden! Tod den Mördern Christi!« Volkmar stürzte zu dem Schuppen, in dem der Rabbi wohnte. Er kam zu spät. Der Rabbi war tot. Die Handschriften waren verbrannt.
Endlich gelang es, die Italiener im Viertel der Pisaner zusammenzutreiben. Siegestrunken sangen sie Kreuzzugshymnen, während die Eisenglocke von St. Peter und Andreas nach einem letzten klagenden Ton verstummte. Der Pöbel, der noch immer nicht begriff, was er angerichtet hatte, schrie, er wolle zum König, wolle Lob und Lohn von ihm für solche treuen Dienste. Jetzt griffen die Ritter durch, packten die Rädelsführer und führten sie ab. Vielleicht ließ sich, wenn man sie den Mamelucken auslieferte, doch noch eine Katastrophe verhindern. Doch die Italiener leisteten erbitterten Widerstand und schrien: »Wir sind hierher geschickt worden, damit wir die Ungläubigen töten, und wir haben sie getötet. Wir wollen nicht ins Gefängnis, wir wollen nach Jerusalem.«
Das Eintreffen der Nachricht von dem Massaker bedeutete für die Mamelucken die Beendigung des Waffenstillstands. Die Gesandten aus Acre, die man nach Kairo schickte, um dem Sultan das Bedauern über die Vorgänge auszusprechen, starben im Kerker. Seit dem Blutbad gab es für die Mamelucken nicht den geringsten Grund mehr, die Christen im Heiligen Land zu dulden. Saint Jean d’Acre hatte endgültig vom Erdboden zu verschwinden. Als dieser Beschluß in der Stadt bekanntwurde, wußten die Ritter, daß ihre Tage im Heiligen Land gezählt waren, wenn nicht ein Wunder geschah. »Herr und Heiland«, beteten die Priester, »warum sind diese unseligen Schiffe nicht schon im Hafen versunken, noch ehe sie Italien verlassen konnten?« Und alle in der Stadt bereiteten sich auf den letzten Akt der Tragödie vor.
Graf Volkmar sammelte seine Mannen, um mit ihnen nach Ma Cœur zurückzukehren. Sein linker Arm war verbunden; einer der neuen Kreuzfahrer hatte ihm eine Wunde beigebracht, als er Musaffar das Leben rettete. Aber ehe der Graf aufbrach, ging er noch einmal in die Karawanserei des Fondaco der Pisaner, um sich von dem hochgewachsenen Tscherkessenmädchen zu verabschieden. Hier aber erfuhr er, daß die Italiener die Christin in Tscherkessentracht gesehen und auf der Stelle umgebracht hatten. Mit todernstem Gesicht verneigte sich Volkmar vor den anderen Mädchen und ging zur Burg. Der Feldherr des Königs überreichte ihm einen Korb mit Tauben. Er trug ihn mit sich, als er zu einem letzten Gebet in die Kirche St. Peter und Andreas ging. Und er trug ihn bei sich, als die Glocken der Stadt läuteten und er mit seinen Männern aus den Mauern von Acre ritt, der geliebten Stadt, der Stadt der Wunder und des Grauens. Und alle, die mit ihm ritten, wußten, daß sie diese Mauern niemals wiedersehen würden. In Ma Cœur gingen Volkmar und seine Ritter sofort an die Arbeit. Tag und Nacht waren sie tätig. Als erstes wurde allen außerhalb der Stadt wohnenden Bauern befohlen, sich mit ihrem Vieh hinter die schützenden Mauern zu begeben. Als das geschehen war, ließ Volkmar sie zusammenholen und sagte: »Wer von euch Angst hat, mag gehen.« Einige Mohammedaner zogen nach Süden, zu den Mamelucken. Aber wohin sollten die Christen gehen, selbst wenn sie fortwollten?
Merkwürdig war, daß Volkmar sehr viel Gestrüpp sammeln ließ. Seine Ritter lachten, weil sie nicht wußten, was diese Laune
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