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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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bedeuten sollte, wiesen aber die Bauern an, große Haufen Reisig innerhalb der Burgmauern aufzuschichten. Dann wurden die Zisternen überprüft; sie waren in Ordnung. Der unterirdische Brunnen und die Zisternen lieferten genug Wasser für zweitausend Menschen, selbst wenn die Belagerung zwei Jahre dauern sollte. Für etwa die gleiche Zeit reichten die Vorräte an Nahrungsmitteln: Früchte, Nüsse, Öl, getrockneter Fisch, gedörrtes und geräuchertes Fleisch, Hühner, einige Schweine (deren Schatten schon die Mohammedaner in Schrecken versetzte) und riesige Mengen Getreide. Man wußte, was man brauchte, denn kaum eine Burg im Heiligen Land war in den letzten zwei Jahrhunderten nicht belagert worden, und in manchen hatte die Besatzung sich dreißig oder vierzig Monate hinter den Mauern halten können. Aber damals war man dessen sicher gewesen, daß über kurz oder lang Entsatz aus Antiochia oder Zypern kam. Doch woher sollte diesmal die Rettung kommen?
    Als die Vorräte durchgesehen waren, überprüften Volkmar und seine Ritter die Verteidigungsanlagen. Die äußere Stadtmauer war nicht mehr ganz so fest wie vor zweihundert Jahren, als Gunther von Köln sie gebaut hatte, aber doch noch immer in gutem Zustand und durch ihr Glacis zusätzlich geschützt. Richtig verteidigt, mußte diese Mauer den Feind fünf oder sechs Tage aufhalten. Auch die engen Gassen der Stadt ließen sich für die Verteidigung nutzen, wobei die Moschee und die drei Kirchen als Bollwerke dienen konnten. Die Basilika St. Maria Magdalena wurde in eine kleine Festung verwandelt, die wohl mehrere Wochen zu halten war. Der tiefe Graben vor der Burgmauer bildete ein schwer zu überwindendes Hindernis, und die Mauer selbst hielt, darauf konnte man bestimmt rechnen, jedem Angriff stand. Hinter ihr erst erhob sich die Burg, mit ihren mächtigen Mauern und Türmen eine Wehranlage für sich, die dem Feind monatelang zu trotzen vermochte. Und alles war in bester Verfassung.
    In dieser Hinsicht also konnte Graf Volkmar zufrieden sein. Jetzt aber stand er vor der schwierigsten Frage: Was sollte mit seiner Frau und seinem Sohn geschehen? Er ließ die Seinen und die Ritter in die Halle rufen und sagte dort: »Wenn einer von euch lieber in Acre ein Schiff nehmen will, vielleicht nach Deutschland.« Hier schon unterbrach ihn die Gräfin. Sie sei im Heiligen Land geboren, ihr Vater habe sieben Belagerungen durchgestanden und sie selbst auch eine ganze Anzahl erlebt. Und ihr Sohn sagte: »In Safet habe ich gehört, was der Mameluckenhauptmann sagte, und bei den Hörnern von Hattin ist der junge Volkmar bei seinem Vater geblieben, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete Volkmar. Dann fragte er seine Ritter nochmals: »Will einer von euch lieber nach Acre?« Keiner meldete sich. An diesem Tag begann die Zeit des Wartens auf den Feind.
    Gegen Ende Februar war es, als der Turmwächter weder besonders laut noch besonders aufgeregt meldete: »Sie kommen.«
    Ebenso gelassen beobachteten der Graf und die Ritter vom Wehrgang aus die Mamelucken, die von Süden her anrückten; langsam, ohne große Staubwolken und ohne Geschrei zogen die Kolonnen heran. Sie hatten keine Eile. Wenn Ma Cœur erledigt war, ging es weiter nach Acre, und eine Belagerung war wie die andere: Die Feldherren standen hinten und die halbnackten Krieger hatten gegen die Mauern zu stürmen. Alle Bauern von Ma Cœur, die noch außerhalb der Stadt arbeiteten, konnten sich ohne Hast in den Schutz der Mauern begeben. Nur wenige liefen über die Felder südwärts, um sich den Mamelucken anzuschließen. Niemand hinderte sie daran.
    Gegen Mittag näherte sich das Mameluckenheer der Stadtmauer. Noch wurde auf beiden Seiten kein Pfeil abgeschossen, kein Speer geschleudert. Es war ein eindrucksvoller Anblick, wie die Feinde in geschlossenen Kolonnen immer näherrückten. »Es müssen fünfzigtausend Mann sein«, schätzte einer der Ritter. Die Zahl war nicht zu hoch gegriffen.
    Sobald das Heer in Sicht gekommen war, hatte sich Volkmar in das stille Gemach begeben, in dem er einst, als der Waffenstillstand geschlossen worden war, mit Musaffar gespeist hatte. Hier schrieb er einen Brief.
    »Ein Heer der Mamelucken von beträchtlicher Stärke nähert sich von Süden, mit so vielen Belagerungsmaschinen, daß sie nicht alle für Ma Cœur bestimmt sind.
    Ich nehme deshalb an, Ihr müßt demnächst mit ihnen rechnen. Hier steht alles gut. Wir werden Widerstand leisten, bis der letzte Mann auf den letzten Zinnen gefallen ist. Wir

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