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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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weißen Schnur, wie weit die Arbeit fortgeschritten war. Als man überzeugt sein konnte, bis zur Innenseite der Mauer vorgedrungen zu sein, befahl der Feldherr, unter dem Fundament des Turms eine große Höhlung auszuheben.
    Jetzt ging das Graben rascher voran, und Hunderte von Pfosten wurden durch den dunklen Stollen geschleppt, um auch die Höhle abzustützen, bis sie aussah wie ein abgestorbener Wald. Als diese Arbeit beendet war, wurden die
    Angriffe auf die Burg eingestellt und wieder die drei weißen Fahnen gezeigt. An der Spitze seiner Offiziere ritt der Mameluckenfeldherr über die Zugbrücke in die belagerte Burg. Er begrüßte Volkmar mit ernstem Neigen des Kopfes und befahl dem Hauptmann mit der Narbe, die Meßschnur auszulegen, während ein anderer mit Kreide auf dem Pflaster aufzeichnete, wie weit die unterirdische Höhle reichte. Dann sagte der Feldherr: »Ritter, unsere Höhle. unter diesem Turm.« Graf Volkmar blickte auf die unheimliche Kreislinie und antwortete: »Ich glaube Euch.«
    »Noch kein Gestrüpp darin«, sagte der Mameluck in seinem gebrochenen Arabisch. »Wir machen letztes Angebot. Doch dann. Sturm.«
    »Die Bedingung?« fragte Volkmar. »Wie zuvor.« Und nach einer Pause: »Deine Antwort?«
    »Wie zuvor.«
    »Leb wohl. Wir werden uns nicht mehr sprechen.«
    »Doch«, widersprach ihm Volkmar. »Denn wenn Ihr durch diese Mauer gekommen seid, müßt Ihr noch in die Burg. Und jede Mitternacht werde ich mit meinem Feuer dort oben zu Euch sprechen. Es wird Euch viel mehr Zeit kosten als die Woche, von der Ihr gesprochen habt.«
    Der Mameluck schied ohne Antwort. Am Nachmittag sahen die Verteidiger der Burg lange Kolonnen von Sklaven Gestrüpp in die Höhle tragen. Aber es war wenigstens die Qual des Wartens auf das Ende der Arbeiten im Stollen vorbei. Während der Gnadenfrist ließ Volkmar noch einmal eine Taube nach Acre fliegen, mit einer schlimmen Nachricht.
    »Die Basilika ist gefallen. Das Graben ist beendet, sie haben mir den Umfang der Höhle unter dem Hauptturm gezeigt, und das Gestrüpp ist hereingebracht worden. Wir warten in Ruhe ab, aber wir können nicht mehr hoffen. Der Turm wird fallen, und dann müssen wir uns in die Burg zurückziehen. Geht in die Kirche St. Peter und Andreas und betet zu den Schutzpatronen von Galilaea für uns. Wir werden noch einige Wochen aushalten. Aber wir brauchen eure Gebete um Gottes Hilfe.«
    An diesem Abend zündeten die Mamelucken das Gestrüpp in der Höhle an. Im Wüten des Feuers wurden die Mauern des Turms so heiß, daß sie barsten, und als die Holzstützen niedergebrannt waren, bebten die Wände, und unter dem wilden Geschrei der Mamelucken stürzte der so lange uneinnehmbare Turm von Ma Cœur krachend in sich zusammen. Krieger mit Turbanen sprangen über die noch heißen Steine, um die Kreuzfahrer von der äußeren Wehrmauer in das Innere der Burg zu treiben. Aber um Mitternacht leuchtete das Feuerzeichen auf dem höchsten Turm: »In Ma Cœur noch alles wohlauf.«
    Aber immer enger krallte sich der Würgegriff der Belagerer um den Hals der Verteidiger. Der Mameluckenfeldherr gab neue Befehle: Tausende von Sklaven mußten mit den Steinen des zerstörten Turmes eine feste Straße bauen, über die man die mächtigen Wandeltürme, die Wurfmaschinen und die Katapulte nahe an die Burg fahren konnte. Auch die Schildkröten krochen wieder heran. In ihrem Schutz begannen die Mamelucken das Burgtor zu unterwühlen, ohne Hast, sachlich, ja fast ohne ein Gefühl der Erbitterung gegen diesen hartnäckigen Feind. Die Belagerung dauerte nun schon fünf Wochen. Da die Katapulte und Scheitans nun noch näher herangerückt waren, stiegen die Verluste der Kreuzritter. Am schlimmsten jedoch war es, tagaus, tagein das Klopfen der Hämmer und Hacken dort unten hören zu müssen und gleichzeitig zu sehen, wie der Vorrat an Griechischem Feuer immer mehr dahinschmolz und diese Waffe nur noch sparsam angewendet werden konnte, so daß die Angreifer immer kühner wurden. Die schwersten Tage der Belagerung hatten begonnen in dem Augenblick, als zum erstenmal, leise noch und doch furchterregend, dieses Geräusch zu hören war, das selbst durch die stärksten Mauern der Burg drang, tief hinein in das Bewußtsein jedes ihrer Verteidiger. Alle hatten sie Angst gespürt, als sie das erste Klopfen vernahmen, und so sehr sie sich nun auch daran gewöhnt hatten, die Furcht lauerte doch in jedem. Dieses Klopfen der Spitzhacke tief unten in der Erde, dieses Klopfen gegen die

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