Die Quelle

denn hier, an diesem Ort? Die Kanaaniter verdrängten die ursprünglichen Besitzer, die Juden vertrieben die Kanaaniter und überlebten die Ägypter, Perser und Babylonier und Gott weiß, wen sonst noch. Ihr Araber«, sagte er und deutete auf Dschemail, »seid erst viel später gekommen. Wirklich sehr viel später. Ihr seid gerade noch den Kreuzfahrern und Türken zuvorgekommen. Warum also sollte von allen Staaten der Erde ausgerechnet Israel vor die Schranken einer internationalen Gerichtsbarkeit zitiert werden, um sein moralisches Recht zu begründen? Ihr wißt, wie es damals gewesen ist, als noch eine Stadt auf diesem Tell stand: Jede soeben verheiratete junge Frau mußte darauf gefaßt sein, daß ihre Mutter am Morgen nach der Hochzeit ein blutbeflecktes Leinentuch in der Stadt zur Schau stellte, um damit die jungfräuliche Unschuld ihrer Tochter zu beweisen. Mit welcher Art von Leinentuch, meint ihr, soll die Regierung von Israel stolz durch die Lande ziehen? Und wem sollte sie es zeigen? Peru, zum Beispiel, das seine Indianer enterbt und nichts damit gewonnen hat? Australien, das sich vorgenommen hatte, alle Tasmanier umzubringen und es hundertprozentig geschafft hat? Portugal? Oder den Vereinigten Staaten mit ihrem Negerproblem? Laßt uns zuerst das blutbefleckte Tuch Rußlands als Beweis seiner Unschuld in den Straßen Jerusalems zur Schau gestellt sehen. Oder die Tücher Deutschlands und Frankreichs.«
    Eliav hatte mit mehr Nachdruck gesprochen als beabsichtigt. Deshalb meinte der Engländer: »Ich finde immer, daß Bettzeug ein großartiges Thema zum Kaffee ist«, während Tabari sagte: »Warum schlägst du sie nicht mit ihrer eigenen Bibel? >Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.<«
    Eliav lachte, entschuldigte sich und schloß dann in seiner bedächtigen Art: »Worauf ich hinaus wollte, war folgendes. Israels endgültiges Recht auf dieses Land hier muß moralischer Art sein, aber nicht dergestalt, wie die Staaten dieses Wort in der Vergangenheit gebraucht haben. Wir wollen uns nicht auf die Geschichte berufen und auch nicht auf die Treuhandschaft oder Obhut über dieses Land oder wie immer man es nennen mag. Wir wollen auch nicht an die Verfolgungen erinnern, die wir hier und draußen erdulden mußten. Wir wollen der Welt entgegentreten und sagen: >Hier in diesem einen kleinen Land haben wir gezeigt, wie Menschen verschiedener Herkunft in Einigkeit zusammen leben können. Bei uns erfahren Araber und Drusen, Moslems und Christen soziale Gerechtigkeit.< John, Sie sind im Unrecht, wenn Sie alles rechtfertigen wollen, indem Sie von der Treuhandschaft über das Land ausgehen. Jeder kann das mit Polizeigewalt und einigen landwirtschaftlichen Experten erreichen. Aber Israel als Treuhänder der Menschen und der Menschenrechte wird noch einmal Großes leisten.« Er stockte und deutete dann mit seiner Pfeife auf jeden einzelnen am Tisch. »Das wird unsere moralische Rechtfertigung sein.«
    Tabari klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »In einem Land, das bekannt ist für noble Reden, hat diese Rede eben ein wirklich hohes Niveau erreicht, Eliav. Aber ich fürchte, du wirst nicht die Zeit haben, das, was du vertrittst, zu beweisen, denn was ich kommen sehe, ist folgendes: Es wird die Zeit kommen, in der wir Araber uns vereinen, so unvorstellbar es auch im Augenblick scheinen mag. Unter der Führung einer Macht, an die heute keiner denkt, Persiens etwa oder Marokkos oder vielleicht, wie einst, Mittelasiens, werden die vereinten Araber die Juden ins Meer jagen. Genauso, wie wir es mit den Kreuzfahrern gemacht haben. Natürlich wird sich die ganze zivilisierte Welt über dieses Blutbad entsetzen, aber das wird uns nicht davon abhalten. Nicht im geringsten. Spanien, das dann vielleicht wieder eine Monarchie ist, wird einige Flüchtlinge aufnehmen. Polen und Holland werden ein paar nehmen, wie schon einmal. Aber dann werden in den Vereinigten Staaten furchtbare Pogrome beginnen. Die Gründe dafür kann ich jetzt noch nicht klar erkennen, aber man wird sich schon welche einfallen lassen. Alle Juden von New York werden in ein gigantisches Raumschiff verfrachtet und ins All hinausgeschossen mit dieser Rakete, für die es keine Rückkehr zur Erde gibt. Und brave Christen, voran der Präsident, werden dazu Beifall klatschen. Von San Francisco, Cleveland und besonders von Fort Worth werden ebenfalls Raketen aufsteigen. Und weit draußen im Raum werden diese Schiffe einsam die Erde umkreisen, und im Licht