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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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separatistischen Franzosen von Quebec, die einen eigenen Staat in Kanada für sich beanspruchen, nur weil sie zufällig katholisch sind. »Es gehört sehr viel mehr dazu, einen lebensfähigen Staat zu schaffen«, sagte sich Cullinane, »als die Religion.« Und er sagte dies, obwohl er als Katholik mit seinen Glaubensbrüdern in Kanada, die sich zurückgesetzt fühlten, sympathisierte. Einen Staat lediglich auf Fundamenten des Glaubensbekenntnisses aufbauen zu wollen, führte zu so historischen Ungereimtheiten wie dem Pakistan Mohammed Ali Dschinnahs oder zu Problemen, mit denen man sich in Nordirland auseinanderzusetzen hatte. Als gebürtiger Ire vertrat Cullinane den Standpunkt, daß die Insel seiner Vorfahren das Recht auf Vereinigung hatte, aber gewiß nicht nur aus religiösen Erwägungen.
    Israels geschichtlicher Anspruch auf das Land war auch nicht sehr einleuchtend; Cullinane hielt ihn sogar für gänzlich belanglos. Wo und wie auch immer die Frage nach historischen Anrechten aufgeworfen wurde - man stand vor unlösbaren Aufgaben. Wie denn, wenn die Sioux und die Chippewa das Gebiet der Vereinigten Staaten wiederhaben wollten? Das hatte vielleicht manches für sich, bedeutete aber auch einige Schwierigkeiten: Alle Weißen - mehr als neunundneunzig Prozent der Bevölkerung - müßten abwandern. Und was wäre unter solchem historischen Aspekt mit Frankreich? Sein Gebiet würde sich völlig ändern -vielleicht wäre das ein Vorteil, aber höchstwahrscheinlich entstanden ebenso viele neue Probleme, wie man gelöst hatte. Die Geschichte ist weder logisch noch moralisch, und ob es einem paßte oder nicht - stets führte der Ablauf der Jahre zu einer Konsolidierung, gegen die nur manische Egozentriker wie Benito Mussolini oder gespenstische Narren wie die unstet umherziehenden Anwärter auf den Thron Frankreichs aufbegehrten.
    So nahm sich Cullinane eine Begründung für den Anspruch der Juden auf Israel nach der andern vor: Sprache; Herkunft des Volkes; in der Zerstreuung erduldete Leiden; die Autorität der Bibel; die historische Ungerechtigkeit, daß die Juden das einzige geschlossene Volk ohne eigenes Land sein mußten -und sie vermochten ihn alle nicht zu überzeugen. Immer wieder durchdachte er die Frage, aber kein Argument war schlüssig, keines bis auf eins, das ihm wieder in den Sinn kam, als das erste Jahr der Ausgrabung seinem Ende entgegenging: das Argument der moralischen Berechtigung.
    »Wie denkt ihr darüber?« fragte er eines Abends die Männer im Zelt. Zu seiner Überraschung stellte sich Tabari auf die Seite der Juden. »Ich messe der Frage des geschichtlichen Anspruchs größte Bedeutung bei«, sagte er. »Ich glaube, daß jedes in sich geschlossene Volk, das seine Zusammengehörigkeit und ein gemeinsames Wollen bewiesen hat, auch das Recht auf sein angestammtes Land besitzt. In dem uns hier beschäftigenden Falle haben zwar die Juden sozusagen auf meine Kosten das Land wiedergewonnen, aber sie sind, meine ich, dennoch dazu berechtigt. Vielleicht haben sie zu schnell zu vieles genommen. Vielleicht wird der heutige modus vivendi in einigen untergeordneten Punkten einen Ausgleich erfordern. Aber das Grundrecht der Juden, dort zu sein, wo sie jetzt sind, ist nicht anzufechten.«
    Dr. Eliav war, wie immer, vorsichtig und nachdenklich. Er zündete seine Pfeife an, warf einen Blick auf die Türen und sagte nur: »Da keine Zeitungsleute anwesend sind, will ich zugeben, daß Dschemails Begründung, im modus vivendi einen Ausgleich zu finden, sinnvoll erscheint. Im Verlauf der Geschichte ist das Land Israel als ein Durchgangsgebiet nur dann in der Lage gewesen, als lebensfähige Nation zu bestehen, wenn es sinnvolle wirtschaftliche Beziehungen zu angrenzenden Ländern wie Syrien und dem Libanon oder zu benachbarten Reichen wie Ägypten und Mesopotamien unterhielt. Wir wären mit Blindheit geschlagen, wenn wir einwenden wollten, daß im zwanzigsten Jahrhundert irgendein Wunder diese fundamentale Wahrheit zunichte gemacht hätte. Darum muß man die gegenwärtige Feindschaft unter den Nationen dieses Gebietes nur als vorübergehende Unterbrechung eines geschichtlichen Vorganges betrachten, und ich habe festgestellt, daß vorübergehende Unterbrechungen, sofern sie sich gegen den natürlichen Ablauf der Geschichte richten, nicht lange andauern. Wie die notwendige Wiederannäherung zu erreichen ist, weiß ich nicht; aber es sollte folgende Tatsache als gewichtig in Erwägung gezogen werden: Wir haben das Land

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