Die Quelle
betrafen.«
»Und er hat Euch diesen Talmud angeboten?« Auf eine merkwürdige Weise war dieser Raum plötzlich Schemuel Hakohens Amtszimmer. Und er war es, der die Fragen stellte.
»Nun. ich würde nicht direkt sagen, daß er mir die Bücher angeboten hat.«
»Ihr fragtet ihn, was er an Wertvollem besitze?«
»Ich erwartete, daß er mit Geld kommt. Als er nur mit Büchern kam.«
»Habt Ihr sie genommen?«
»Es war eine Angelegenheit von höchster Wichtigkeit.«
Schemuel schwieg. Er öffnete einen der Bände und las auf der Titelseite: Wilno, 1732. Er dachte darüber nach, unter welch schrecklichen Druck der alte Rabbi gesetzt worden sein mußte, daß er diese Bücher ausgeliefert hatte. Wie viele Juden waren für diese Bücher gestorben, als Märtyrer verbrannt worden, wie viele hatten das Sterben ihrer Kinder und Schwestern mit ansehen müssen. Was hatte der alte Mann so verzweifelt für sein Volk gewollt, daß er sich von seinem eigenen Gewissen trennen konnte? Mit ernster Stimme sagte Schemuel zu dem Kaimakam: »Es sind seltene Bücher, Exzellenz.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Und Ihr möchtet sie in Bargeld umsetzen?«
»Selbstverständlich. Ich weiß, Ihr habt gesagt, daß Ihr über kein Gold mehr verfügt. Aber man hält immer noch ein wenig zurück.«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, holte Schemuel Hakohen aus seiner linken Tasche die kostbare Münze hervor. Feierlich legte er sie auf den Tisch. »Ich weiß nicht, wieviel sie wert ist, Exzellenz, aber sie soll Euch gehören. Mose ben Maimon hat einmal gesagt: >Wenn ein Mann eine Synagoge baut, soll er sie schöner bauen als das Haus, in dem er wohnt.< Ich werde noch ein wenig länger zwischen Ratten und Läusen leben. Aber die Synagoge.« Er blickte Tabari an, als wollte er fragen: Was ist das nur für ein Mensch, der einem anderen ein heiliges Buch stiehlt und dann versucht, es mit Gewinn zu verkaufen?
Schemuel begann, die schweren Bände auf seine Arme zu stapeln. Tabari, der es dem kleinen Juden nicht zutraute, daß er diese Bände schleppte, rief nach seinem ägyptischen Diener. Doch Hakohen stieß den Diener zur Seite. Zweiundzwanzig Bände mühselig auf seinen Unterarmen balancierend, verließ er das Zimmer. Der Kaimakam eilte voraus, ihm die Tür zu öffnen. Eine lange Weile starrten die beiden einander an. Aber die moralische Kluft zwischen ihnen war so ungeheuer, daß kein Verstehen sie zu überbrücken vermochte.
Als Schemuel durch die drückend heiße Nacht dahinschwankte, keuchend unter der Last der Bücher, wiederholte er sich immer wieder die Worte des Mose, des großen Lehrers: »Denn wo ist so ein herrlich Volk, das so gerechte Sitten und Gebote habe wie all dies Gesetz, das ich euch heutigentags vorlege?«
. Der Teil
Für Cullinane, der viel über dieses Israel nachdachte, bedeutete das moralische Recht der Juden auf Israel ein relativ einfaches Problem: Es war eine Frage der Obhut über dieses Land. Zu Zeiten des Königs Herodes besaß Galilaea eine Bevölkerung von über einer halben Million, in der byzantinischen Epoche sogar von mehr als einer Million. Als jedoch die Herrschaft der Araber, der Kreuzfahrer, der Türken ihrem Ende zuging, ernährte das gleiche Land weniger als sechzigtausend Menschen - von je siebzehn Menschen einst nur noch einen! Nach dem zu urteilen, was Cullinane um sich herum sah, glaubte er annehmen zu dürfen, daß in weiteren zwanzig Jahren jüdischer Sorge für das Land sich abermals eine Million Menschen von den Erträgen des Bodens ernähren konnten.
Es war ebenso verblüffend wie unbestreitbar: Die, denen dieses Land früher anvertraut gewesen war, hatten den einst fruchtbaren Boden veröden lassen und zugesehen, wie die Brunnen verschüttet wurden und die Wälder verschwanden; erst die Juden hatten das Land wieder produktiv gemacht. Und so meinte er, daß eine so kluge Nutzung des Bodens auch das moralische Recht auf den Besitz des Landes begründet, während durch die frühere Vernachlässigung dieses Recht verspielt worden war. Je mehr sich Cullinane jedoch mit dieser Frage beschäftigte, desto klarer wurde ihm, daß er eine ausgesprochen moralische Begründung allein von der Frage des Bodens herleitete. War das wirklich logisch?
Aber was gab es für Alternativen? Eine nach der anderen galt es zu durchdenken. Den religiösen Anspruch Israels schob er ohne weitere Überlegungen zur Seite: Die Israelis als Juden hatten keinen größeren Anspruch auf ein freies Israel als jene
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