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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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dass er es trotzdem getan hatte. Vorbei war vorbei. Wünsche hatten nur einen Sinn, wenn sie in die Zukunft gingen. » Wäre doch « und » hätte nur « brachten gar nichts.
    Una hatte sich einmal eine Zukunft mit Jan gewünscht. Daran war nun nicht mehr zu denken. Sie war zu vernünftig, sich einen Mann zu wünschen, der sie mit einem Satz aus seinen Plänen strich … einfach so. Scheißkerl.
    Natürlich könnte sie sich wünschen, dass es ihm schlecht ging, er die Krätze bekam und Haarausfall, Filzläuse und Erektionsstörungen und dass es in Spanien zu spontanen Regenstürmen und Überschwemmungen kam. Doch auch dieser Wunsch war irgendwie kleinlich, wenn man bedachte, dass die Wünsche, die dort am Baum hingen, vermutlich sehr viel existenziellere Nöte abdeckten – Heilung von Krankheit vielleicht oder Erlösung aus einer lebensbedrohlichen Situation.
    Filzläuse für Jan – und Lara – passten nicht dazu.
    Sie ließ ihren Blick über die Landschaft streichen. Grün durchzogen mit Steinmäuerchen. Was auch sonst. Hinter der nächsten Mauer stand ein Pferd. Wo war das denn so plötzlich hergekommen? Una mochte Pferde. Mit dreizehn hatte sie angefangen, Reitunterricht zu nehmen. Irgendwann hatten andere Dinge sie dann mehr interessiert als Pferde, doch schön fand sie die Tiere immer noch.
    Das Pferd trabte eher lässig bis zum Mäuerchen auf sie zu und sah sie an. Der Blick verriet Neugier und Interesse. Nervös schien er nicht. Er betrachtete sie beinahe abwägend.
    Una winkte ihm zu und grinste dann etwas dämlich in sich hinein. Was hatte sie sich dabei gedacht? Das Tier würde kaum zurückwinken. Schlimmstenfalls würde es sich erschrecken und davonlaufen.
    Das tat es allerdings nicht. Es hob den Kopf und wieherte leise. Fast klang es wie ein Gruß.
    Toll. Jetzt bandelte sie mit einem Gaul an, weil ein Mann sie sitzengelassen hatte. In das unangenehme Gefühl, das schon die ganze Zeit auf ihrer Seele lastete, mischte sich nun auch noch Selbstmitleid. Sie schalt sich für ihre Sentimentalität, marschierte zielstrebig am Baum vorbei und folgte dem Weg, der sich ein wenig um den Hügel wand.
    Und plötzlich stand sie vor der Quelle. Wie eine Grotte war eine Höhlung in den Hügel zurückgesetzt. Die Wände waren mosaikartig mit kleinen Natursteinen besetzt, am Boden lehnten verblasste Bilder in einer Reihe an der Grottenwand, manche gezeichnet, manche nur mit Text, alle gerahmt.
    In der Mitte der Grotte sprudelte eine Quelle. Sie lag im Halbschatten, trat aus kunstvoll zusammengesetzten Brunnensteinen hervor, die einen inneren Halbkreis zur Grotte spiegelten. Tief und dunkelgrün sah das Wasser aus, der Grund sackte trichterförmig ins Bodenlose. Zur Grottenöffnung hin ergoss sich das Wasser in den Bach, den Una schon gesehen hatte.
    Hier schien es, abgesehen vom leisen Gurgeln des Wassers, fast noch stiller als zuvor. Ob der Ort wirklich heilig war, mochte Una nicht beurteilen, doch er jagte ihr einen kalten Schauer über den Rücken. Er schien ganz ungeheuer präsent, zugleich mehr und doch weniger real als das Irland auf der anderen Seite des Hügels, das Irland der Landstraßen, der Pubs und des Frühstücks mit Würstchen und labbrigem Toastbrot.
    Entschlossen schüttelte Una ihre Beklemmung ab, nahm ihre Kamera aus der Tasche und machte Fotos, von der Grotte von vorn, von der Seite, von der Quelle, vom Rag-Tree. Wo war eigentlich das Pferd hin? Eben war es doch noch da gewesen.
    Una konnte es nicht mehr sehen. Die Landschaft lag leer und pferdelos vor ihr. Das war irgendwie verrückt. Die Wiesen am Fuß des Hügels waren bei Weitem nicht hügelig genug, als dass das Ross sich so schnell aus dem Blickfeld davongestohlen haben könnte. Nur, wo war es hin? Hätte sie nicht hören müssen, wenn es über die Mauer gesprungen und den Hügel hochgetrabt wäre? Und welches Pferd sprang schon freiwillig über Steinmauern?
    Natürlich konnte es ihr egal sein, wo Pferde, die ihr nicht gehörten, abblieben. Aber das Verschwinden des Tieres war eigentümlich.
    Als Una vom Baum zur Quelle zurückkehrte, fiel ihr etwas Merkwürdiges auf. War diese lauter geworden? Ihr Gurgeln und Plätschern war das Einzige, das die Stille durchdrang, und nun schien es beinahe unverhältnismäßig laut. Es klang, als wollte das Wasser sie auf etwas aufmerksam machen. Es war ihr, als drängte es sie, nicht hierzubleiben; als flüsterte ihr etwas ein, sich hier nicht länger aufzuhalten.
    » Unsinn! « , murmelte Una. Wenn sie

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