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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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mir? « , fragte sie und kämpfte mühsam ihre Tränen zurück. » Bitte lass mich gehen! Ich sag auch keinem was. « Sie schniefte. » Ich will nur heim. Bitte! «
    Er hielt sie an den Oberarmen fest. Selbst in der Dunkelheit war zu sehen, dass sie ihm das Gesicht zerkratzt hatte. Sie sollte ihn besser nicht reizen. Wer weiß, was er dann tun würde?
    » Ich weiß, dass du Angst hast, Una. Du hast auch Grund dazu. Aber ich bin nicht der Grund. Das musst du doch einsehen. Du hast den Uruschge doch gesehen! «
    Sie blickte ihn verständnislos an.
    » Das Wasserpferd, das uns angegriffen hat! « , erklärte er ungeduldig.
    Wasserpferd. Vermutlich sprach er nicht von Seepferdchen. Meinte er das Connemara-Pony, das er aufgespießt hatte? Die Erinnerung ließ Una heftig erbeben.
    » Außerdem « , fuhr der Mann fort, » kennst du dich hier gar nicht aus. Ich werde dich nach Kerr-Dywwen bringen. Da bist du erst einmal in Sicherheit. Du bist nämlich nicht mehr bei der heiligen Quelle des Caolán, in der Grafschaft Clare. «
    Sie sah sich um. Wie lange war sie bewusstlos gewesen? Allzu lange sicher nicht, sonst hätte er sie nicht mehr wiederbeleben können. Doch wo waren sie?
    Die Dunkelheit mochte nicht vollständig sein, dennoch war es zu dunkel, als dass sie hätte weit sehen können.
    » Ich würde dich ja zurückbringen – falls das geht, aber ich denke, wir sollten damit warten, bis wir uns beide von dem Bad erholt haben. Und ich denke auch, eine Stelle am Wasser, wo kein Ungeheuer auf der anderen Seite lauert, wäre besser. Wir finden etwas. Bestimmt. Nur nicht gleich. Aber die Seele der Nymphe hat mich zweimal und dich einmal gerettet. Sicher geht es noch ein drittes Mal. «
    » Nymphe? « , murmelte sie fassungslos und starrte ihn an.
    Er fuhr herum und bedeutete ihr zu schweigen. Das Gurgeln des Baches schien lauter geworden zu sein. Oder täuschte sie sich?
    Er packte sie am Handgelenk. Seine große Pranke tat ihr nicht weh, war aber zu stark, als dass sie sich aus dem Griff hätte lösen können.
    » Schnell jetzt! « , flüsterte er. » Wir müssen hier weg. Renn, Una! «
    Er zog sie hinter sich her, ohne abzuwarten, was sie dazu zu sagen hatte. Sie stolperte etwas schwach hinter ihm her, fragte sich, ob sie sich einfach fallenlassen sollte, damit er nicht weiterkam – oder eben alleine weiterlief. Er sah sie über die Schulter an. Seine großen Augen funkelten im Sternenlicht.
    » Du willst doch nicht gefressen werden, oder? « , drohte er, und es klang nicht wie ein Witz. Sie begann zu begreifen. Dieser Irre war ein Kannibale.

Kapitel 20
    Die Heilung durch die versammelten Einhörner in Kerr-Dywwen hatte Esteron und – wenn auch in minderem Maße – Perjanu wieder gestärkt. Im Morgengrauen hatte dies stattgefunden, kaum dass sie die Residenz sicher erreicht hatten, wobei der aufgescheuchte Hof eine Weile brauchte, um seine Gedanken und Gefühle zu ordnen.
    Das Wohlwollen der Sippen, aber auch ihre Furcht war in der gemeinsamen Magie zu spüren gewesen. Doch dann hatten die Hörner in den Himmel gezeigt, die Herzen waren frei gewesen, die Lieder der Schanchoyi waren in vielfarbigen Klängen durch die Luft geschwebt – verwoben zur Heilung von Hra-Esteron und dem Ersten Weisen.
    Nun standen sie beide im Thronsaal neben Enygme. Der Saal war von menschlichen Traumwerkern entworfen und gebaut worden, und es war üblich, sich in Menschengestalt dort zu versammeln – schon aus Platzgründen. Tatsächlich war es sehr voll, denn auch die Abgesandten der Menschen, die in Talunys lebten, waren gekommen, um an der Versammlung teilzunehmen, die für sie alle lebenswichtig war. Ihr Schicksal war seit Generationen mit dem der Tyrrfholyn verknüpft. Und wenngleich ihre Ahnen zu ganz unterschiedlichen Zeiten nach Talunys gefunden und somit die Menschenwelt in völlig verschiedenen Epochen verlassen hatten, bildeten sie inzwischen eine Gemeinschaft in der Fremde, die ihnen zur Heimat geworden war – auch wenn ihre Lebensspanne kürzer war als die der Gastgeber, ihre Lebensgewohnheiten allzu menschlich und ihr Können auf das beschränkt, was von Eltern zu Kindern an Menschenkunstfertigkeit hatte überliefert werden können.
    Jetzt waren sie alle versammelt in dem Saal, für dessen Schönheit heute niemand einen Blick hatte. Schweigend hatten sie sich in das kreuzförmig angelegte Gebäude eingereiht, in dem hohe, reliefgeschmückte Säulen die Seitenschiffe von den Hauptgängen trennten. Ranken und Blüten in zarten

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