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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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das Tier schrie, hatte die Lippen von den Zähnen zurückgezogen – vielleicht aus Schmerz, vielleicht aus Angriffswut. Die Zähne waren spitz. Das konnte es nicht geben. So sahen Pferde nicht aus. Was hatte dieser Wahnsinnige mit dem armen Tier gemacht?
    Und was würde das arme Pferd mit ihr machen? Es sah nicht so aus, als könnte es noch zwischen Freund und Feind unterscheiden. Wie auch? Es musste halb irrsinnig vor Schmerz sein und konnte sicher nicht richtig sehen.
    Una versuchte auszuweichen. Doch vor ihr stand er, Kanura, die Waffe immer noch in der Hand. Die elfenbeinweiße Klinge triefte vor dunklem Blut. Una hielt entsetzt inne. Ein Pferdemaul biss nach ihrem Kopf, hätte sie erwischt, wenn Kanura sie nicht weggerissen hätte. Beide stürzten, und während sie fielen, merkte Una, dass Kanura sie immer noch festhielt. Er zog sie mit sich in die Quelle.

Kapitel 18
    Die Vieläugige stand am Wasser, das von unten durch den Fels brach und von oben hinuntertroff und damit im Höhlenboden einen runden Weiher geschaffen hatte wie einen natürlichen Brunnen. Dieser war mehr als er schien, eingepasst in einen irrwitzigen Kreislauf geheimnisvoller Abläufe. Das Wasser glitzerte in der Dunkelheit, als wäre es voller Edelsteine. SIE berührte das Wasser und sang:
    » Ich singe uns
    ein neues Lied.
    Es klinge uns
    von Nord nach Süd.
    Von Ost nach West
    da schwinge es,
    ich bin im Nest
    und singe es.
    Ich spiele euch
    die Dunkelheit,
    und ihr, mich deucht,
    wart nie bereit,
    seid nicht gefeit,
    sie klar zu sehen,
    so wird die Zeit
    euch bald verwehen. «
    Die Zeilen liefen gegenrhythmisch durcheinander, woben ein Klangbild von ungeahnter Größe. Die Worte darin verliefen ineinander und verloren ihren Sinn. Inhalt zerstob. Schönheit war furchtbar, Wahrheit falsch und leer.
    » Ich könnte euch alle zerstören! « , sagte SIE plötzlich, während der Klangteppich noch zwischen den Felswänden schwebte und von Wand zu Wand hallte, sich gegen sich selbst katapultierte und überschlug, bis obertönige Schwebungen den Gesang in Misstönen aufbrachen. » Aber euch hier zu haben, um zu sehen, was ihr seid und zu was ihr werdet, ist von größerer Freude für mich. Nennt mich Beschützerin. Ich bin eure Meisterin. «
    SIE wartete keine Antwort ab. Vielleicht hatte SIE nie eine erwartet. Dann wandte SIE sich vom Wasser ab.
    » Steter Tropfen höhlt den Stein « , sagte SIE ernsthaft. » Steter Stein höhlt den Tropfen. Stete Höhle steint den Tropf. «
    SIE kicherte und drehte sich vielbeinig um sich selbst, langsam zuerst, dann immer schneller. Wie ein weites Kleid hob IHRE Macht SIE vom Boden und drängte mit der Fliehkraft nach außen, wirbelte hoch und weit.
    » Tropfe stete Höhle … Aber das müsst ihr nicht verstehen, meine Schönen! « , sagte SIE , ohne sich noch umzublicken, um jene zu sehen, die SIE ansprach. SIE stand wieder. Reglos.
    Von den Höhlenwänden hinter IHR erschallte fast so etwas wie vielstimmiges Weinen. Doch wenn man genau hinhörte, war da nichts, nur flatterndes Blau.

Kapitel 19
    Das Wasser schlug über Una zusammen, und sie versank in den Fluten. Panik schoss ihr durch die Adern. Doch hier konnte man nicht ertrinken. Dies war kein tiefer Strom, es war nur eine Quelle! Gleich würde sie wieder nach oben kommen und atmen können.
    Stattdessen ging es nach unten. Der Irre hatte ihren Arm so fest im Griff, dass es wehtat. Sie unterdrückte einen Schmerzensschrei. Unter Wasser zu schreien war nicht gut.
    Sie verstand nun, dass er ein Psychopath war. Ein wahnsinniger Killer, der Pferde verstümmelte und Frauen ertränkte. Sie kämpfte gegen ihn an, doch er war stark wie ein Bär und gab keinen Zentimeter nach. Auch er war unter Wasser.
    Er war auch aus dem Wasser gekommen. Das alles ergab keinen Sinn, Bilder und Eindrücke der letzten halben Stunde jagten ihr durch den Kopf. Diese ließen ihr keine Chance zu einem vernünftigen Gedanken. Irgendetwas müsste sie doch tun können, doch sie war zu perplex und zu entsetzt und auch zu schwach gegen diesen Kerl.
    Sie wehrte sich, doch die Fluten machten sie langsam. So viel Wasser. Wo kam nur all dieses Wasser her?
    Auch dieser Gedanke zerfloss in dem panischen Begreifen, dass ihr die Luft ausging. Ihre Lungen brannten. Er zog sie weiter, und sie wusste mit einem Mal nicht mehr, ob er sie nach unten zog oder seitwärts. Nur dass es nicht nach oben ging, schien klar.
    Keine Luft. Es gab keine Luft.
    Eine ungeheure Wut erfasste sie. Wäre sie mit Jan

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