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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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fürchterlich langen Dolch einem anderen Menschen ins Fleisch zu stoßen, entsetzte Una.
    Sie ließ wieder ihre Möglichkeiten vor ihrem geistigen Auge Revue passieren: Hilfe herbeitelefonieren – im Moment nicht möglich. Ausbüchsen – zu gefährlich im Dunkeln. Den Entführer überwältigen – ging nur, wenn sie ihn schlafend erwischte, ansonsten war der Kerl entschieden zu stark.
    Ein verzweifelter Seufzer entglitt ihr und hallte in der Höhle wider.
    » Alles in Ordnung? « , fragte Kanura leise.
    Una schluckte. Dass sein Schlaf gar so leicht war, hatte sie nicht angenommen. Gut, dass sie nicht in seinen Hosen nach einer Waffe gesucht hatte. Das wäre nicht nur peinlich, sondern vermutlich gefährlich geworden.
    » Du bist ganz kalt « , sagte er dann. » Frierst du? « Er fuhr ihr mit seinen warmen Händen über den Rücken, ließ eine der Hände dann in ihrem Nacken ruhen. Ein Daumen streichelte sie.
    Sie versuchte, das zu ignorieren, und nickte.
    » Ich habe eine Jacke in den Satteltaschen « , sagte sie dann. » Könntest du sie mir bitte herreichen? Und den Rucksack auch? «
    Verwundert nahm sie wahr, wie er sich sofort von ihr fortbewegte, kurz darauf schabte etwas über den Boden.
    » Der Rucksack hängt fest « , sagte er. » Den kriegen wir erst frei, wenn es hell wird. Hier! « Er schob ihr etwas zu. Sie tastete danach.
    » Du kannst wirklich nichts sehen « , stellte er erstaunt fest.
    » Es ist verdammt noch mal dunkel. «
    » Eure Sinne taugen nicht viel. Das habe ich natürlich gewusst, aber so richtig klar war mir das nicht. « Er lachte auf einmal völlig grundlos auf, und sie zuckte zusammen. » Ich hätte mich wohl doch mehr mit Menschen beschäftigen sollen. Aber ganz ehrlich, ihr habt mich nie sonderlich interessiert. «
    » Und was interessiert dich? « , fragte Una und war sich nicht sicher, ob sie es wissen wollte. Ein Mann, den Menschen nicht interessierten und der Pferde abstach.
    » Die Freiheit des Seins. Die Weite der Welt. Die Geschwindigkeit, wenn man mit dem Wind um die Wette rennt. Spaß mit Freunden. Oh, und Sex. «
    Una schluckte und wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. Am besten gar nichts. Wenn ihn Menschen nicht interessierten, mit wem um Himmels willen hatte er dann Sex? » Hast du, was du suchst? « , fragte er jetzt, und Una brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, dass er nicht mehr über Sex sprach. » Oder soll ich es dir aus der Tasche holen? «
    » Siehst du denn was? «
    » Mehr als du, wie mir scheint. Hier. Das könnte ein Kleidungsstück sein. «
    Ihre Hände trafen sich. Er hielt tatsächlich ihre Jacke. Sie nahm sie ihm ab, konnte in der Enge nicht erfühlen, wo oben und unten war, und versuchte, sich irgendwie blind und halb liegend in die Ärmel zu zwängen.
    » Ist das eine Decke? « , fragte er. Dann zerrte er wieder an etwas.
    » Schlafsack « , sagte sie nur.
    » Hm. Das hättest du auch früher sagen können, dass du eine Decke dabeihast. Dann hätten wir es uns etwas gemütlicher machen können. «
    Gemütlich mit einem Entführer … Una lauschte fassungslos, wie Kanura weiter vor sich hin kramte. Vielleicht holte er den Schlafsack raus. Sie wollte ganz sicher nicht mit diesem Mann den Schlafsack teilen. Sie war ihm ohnehin zu nah.
    » Taschenlampe! « , sagte sie. » Da muss auch eine Taschenlampe drin sein. «
    » Ihr habt eigene Lampen für Taschen? Interessant. Der Erfindungsreichtum der Menschen ist immer wieder erstaunlich. Ihr seid so kreativ. Ein Volk von Traumwerkern. «
    Dass er über Menschen sprach, als gehöre er nicht zu ihnen, nervte Una wirklich.
    » Kannst du das mal lassen? « , fragte sie ärgerlich.
    » Was lassen? «
    » Deine Meinung über Menschen. Was zum Teufel, denkst du, dass du bist? Ein Halbgott? «
    Er schwieg eine Weile.
    » Weißt du « , sagte er dann. » Da sprechen wir morgen früh drüber. Wenn es hell ist. Ich denke, es ist leichter zu zeigen, als zu erklären. Vielleicht würdest du mir doch nicht glauben. Menschen haben immer das Problem, dass Dinge, die in ihrer Weltsicht nicht vorgesehen sind, ihnen sehr unglaubhaft erscheinen. « Er schwieg kurz, dann fuhr er zufrieden fort. » Diese Schlafdecke, oder wie du sie nennst, ist weich und warm. Hier. Wir sollten uns darin einwickeln. «
    Schon fühlte Una den weichen und glatten Stoff in Händen, tastete nach dem Reißverschluss und öffnete ihn.
    » Die Lampe finde ich nicht. Wie soll die denn aussehen? «
    » Na, wie eine Taschenlampe eben. Länglich.

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