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Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition)

Titel: Die Quellen der Malicorn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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einem Stein. «
    » Das klingt nicht sehr optimistisch, mein Freund. Sing wenigstens noch einen guten Ausgang der Geschichte. Vielleicht so etwas wie: Und als sie alle kam’n zurück, feierten sie vor lauter Glück. «
    » Als Barde bist du lausig, mein Fürst. Doch du hast recht, konzentrieren wir uns auf den guten Ausgang dieses Abenteuers. «
    Sie schwiegen eine Weile. Dann sagte Esteron:
    » Jetzt. «

Kapitel 29
    Es war eiskalt in der Höhle, und Una fror erbärmlich. In ihren Satteltaschen waren eine Jacke und ein leichter Schlafsack. Die hätte sie jetzt wirklich gerne gehabt, aber sie konnte nicht sehen, wo die Taschen waren, und wollte nicht einfach blind danach herumsuchen. Sie hätte fragen können, denn Kanura schien in der Dunkelheit besser zu sehen als sie, doch sie wollte ihn um nichts bitten, zudem hoffte sie, dass er bald tief genug schlafen würde, damit sie etwas unternehmen konnte.
    Den Riemen ihres kleinen Rucksacks konnte sie ertasten, doch das Ding steckte immer noch irgendwie fest. Sie musste zu ihm, denn darin war ihr Handy. Und das benötigte sie dringend, um zu telefonieren. Am besten mit der Polizei, aber sie hatte keine Ahnung, wie die Nummer des Polizeinotrufs in Irland lautete. Vermutlich nicht eins eins null.
    Also ihre Mutter. Die war auf Kurzwahl eingespeichert. Es musste schnell gehen: Rucksack auf, Handy raus. Kurzwahl, hoffen, dass ihre Mutter schnell ranging, und dann – was sagen? Sie testete die Nachricht in ihren Gedanken: Hallo, Mutti, ich bin in einer Höhle mit einem Mann, der mich fast umgebracht hat – bitte informiere die Garda Síochána – nein, ich habe keine Ahnung, wo ich bin, irgendwo in Clare, wo die Sterne anders aussehen und der Mond nicht gut zu erkennen ist. Und wo kniehohe Leute einen im Stockfinsteren in Höhlen locken. Hier in der Nähe muss irgendwo ein totes Pferd rumliegen. Der Irre, der mich entführt hat, hat es abgestochen, bevor er versucht hat, mich zu ertränken.
    Nein. Das musste schneller gehen und präziser sein. Es war nicht anzunehmen, dass Kanura nicht von ihren Worten aufwachen würde und sie dann lange reden lassen würde. Und ihre Mutter musste sofort begreifen, was Sache war, und nicht denken, Una hätte einfach zu viel Guinness getrunken.
    Sie formulierte im Geiste die Worte neu: Hör zu, Mutti. Ich bin verschleppt worden. Zuletzt bei St. Caolán’s Holy Well. Jetzt in einer Höhle, vermutlich in der Nähe. Ruf die Polizei.
    Das war kurz genug. Nun musste sie nur noch an ihr Telefon herankommen. Zentimeter um Zentimeter tastete sie sich nach vorne, doch gerade als sie die Verschlussschnallen mit den Fingerspitzen umfasste, bewegte sich ihr Peiniger, grunzte schlaftrunken, griff nach ihr und und zog sie fest an sich. Einen Augenblick lang wollte Una nach ihm schlagen, doch sie unterließ es tapfer. Er schien nicht ganz wach geworden zu sein. Vielleicht war auch ihm kalt, schließlich lag er hier mit nacktem Oberkörper auf dem Fels.
    Doch jetzt lag sie so dicht an ihm, dass sie keinesfalls erneut zu ihren Taschen kriechen konnte, ohne ihn zu wecken. Una atmete ganz flach und drehte ihr Gesicht zu Kanura. Sie war ihm viel zu nah.
    Sein Atem blies ihr die Haare in die Stirn. Wenigstens war er warm. Und seine Umarmung hatte beinahe etwas Beschützendes – wenn man nicht wusste, dass er ein Wahnsinniger war.
    Immerhin, er schien jetzt zu schlafen – und es wunderte sie, dass er ihr so weit vertraute. Er konnte doch nicht ausschließen, dass sie ihm mit einem Stein den Schädel einschlug. Oder dass sie eine andere Waffe bei sich trug. Oder hatte er sie durchsucht, als sie bewusstlos gewesen war? Der Gedanke hatte etwas Beunruhigendes.
    Was war überhaupt mit seiner Waffe? Wo hatte er die versteckt? Vielleicht konnte sie sie finden, wenn sie ihn ganz vorsichtig abtastete. Doch bei der Vorstellung, er könnte, während sie ihn absuchte, aufwachen und ihre Geste falsch verstehen, zog sie die Hand, die sie schon nach ihm ausgestreckt hatte, wieder zurück.
    Sie schnaufte frustriert. Nur nicht die falschen Signale geben, sonst würde sie diese Höhle nicht mehr lebend verlassen.
    Und das mit der Waffe war sowieso keine gute Idee. Schließlich war sie sich absolut nicht sicher, ob sie einen schlafenden Mann einfach so erstechen konnte. Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr kam sie zu dem Schluss, dass sie dazu nicht in der Lage wäre. Das war wohl der Unterschied zwischen ihr und einem bewaffneten Irren: Der Gedanke, diesen

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