Die Quellen Des Bösen
erzählen wird, auf dass sich die Buchsen so richtig schön füllen, wenn es im Unterholz knackt.«
»Möchtest du wieder ein wenig experimentieren?«, erkundigte sich der ehemalige Kabcar bei Soscha, die ablehnte.
»Da ich fest davon überzeugt bin, dass Ihr mir etwas verheimlicht und Ihr mir die Ansätze für meine Versuche verfälscht, hat es wenig Sinn«, meinte sie unfreundlich. »Die Ergebnisse sind auf diese Weise nicht zu gebrauchen. Wenn Ihr Euch entschlossen habt, mir zu sagen, warum Eure Fertigkeiten sich ganz offensichtlich gewandelt haben, seid Ihr gern eingeladen. Ansonsten nicht.«
Die Ulsarin folgte den beiden Ilfariten, sodass Lodrik mit Stoiko alleine war.
»Erinnerst du dich an Rodmor von Pandroc?«, begann der einstige Herrscher. Sein Vertrauter zuckte etwas ratlos mit den Achseln. »Ach, nein, zu der Zeit warst du …« Er brach verlegen mitten im Satz ab. »Der Großmeister der Hohen Schwerter Ritter Aufbraus, Nerestro von Kuraschka behauptete, er könne mit den toten Ordensrittern reden. Ich hielt ihn damals für einen Spinner.«
»Nun nicht mehr?«
Behutsam schüttelte Lodrik den Schopf. »Ich bin Herr über eine kleine Streitmacht von … Seelen, Stoiko.« Der ältere Mann erschrak. »Es sind die Seelen von Verbrechern, und sie vermögen weit mehr als das, was ich Perdór gezeigt oder berichtet habe.« Er klopfte gegen die Schwertscheide. »Jedem Menschen, den ich damit töte, raube ich das Heiligste, was er besitzt. Was ihn vom einfachen Tier unterscheidet.«
»Herr, es waren Kriminelle, die durch diese Klinge starben«, beruhigte Stoiko die Zweifel. »Nun tun sie Buße, indem sie dazu beitragen, dem Guten zum Sieg zu verhelfen. Wir schaffen es.«
»Es ist beinahe wie früher.« Erstaunt ruhten seine Augen auf dem Gesicht des gealterten Lehrers. »Stoiko, wie gelingt dir das? Du müsstest unbändigen Hass auf mich verspüren, nachdem ich dich mehr als ungerecht behandelt und unsere Freunde teilweise in den Tod getrieben habe.« Er senkte den Kopf. »Ich verstehe Soscha. Aber nicht dich.«
Der Vertraute atmete tief ein und legte seine faltige Hand auf das blonde Haar des jüngeren Mannes. »Ich sah Euch aufwachsen, Herr. Ich sah die hoffnungsvolle Entwicklung, die Ihr in Granburg nahmt, und bei Ulldrael, Ihr wärt der beste Kabcar geworden, den Tarpol in seiner langen Geschichte hatte. Ich sah auch, was Nesreca aus dem viel versprechenden Jungen machte, der zwischen die Räder des Schicksals und die Intrigen einiger anderer Könige geriet.« Zärtlich strich er über die Haarsträhnen. »Soscha sieht in Euch lediglich denjenigen, der sie ins Gefängnis werfen ließ, mehr nicht. Dass Ihr nicht unschuldig seid, weiß ich. Aber ich verzeihe Euch, weil ich alle Hintergründe kenne. Waljakov erging es übrigens genauso.«
Lodriks Schultern bebten, er klammerte sich wie ein kleines Kind an seinen Vertrauten, den einstigen Diener und Freund. »Ich danke dir«, flüsterte er erstickt. Plötzlich löste er sich, wandte sein Gesicht ab und rannte hinaus.
Stoiko schaute ihm nach, wischte sich selbst eine Träne aus dem Augenwinkel und strich sich über seinen Bart. Manchmal sind die Götter ungerecht. Was hätte aus ihm werden können? Er dachte an das bleiche Gesicht des einstigen Kabcar, die krallenförmigen Fingernägel und die Künste, mit denen er sich nun beschäftigte. Er seufzte. Und was ist aus ihm geworden.
Dennoch liebte er ihn nach wie vor wie einen Sohn. Denn sein Wesen, so meinte er voller Überzeugung zu spüren, hatte zu dem Guten zurückgefunden, das er einst in sich trug.
Kontinent Kalisstron, zehn Meilen vor
Bardhasdronda, Spätherbst/Winter 459 n. S.
Schaut mal, Ritter Wellenbrech, da vorne kommt unser Ziel in Sicht.« Torben Rudgass brachte die Varla auf Kurs, die es trotz aller Stürme geschafft hatte, sich durch das Meer bis nach Kalisstron zu kämpfen. Die Herbstwinde trieben schon erste Eisschollen auf der rauen See, die von irgendwo aus dem Norden stammten.
Mit hellgrünem Gesicht stand Tokaro auf dem Achterdeck und atmete tief ein und aus. Durch ein immenses Maß an Konzentration gelang es ihm, den trockenen Zwieback trotz der schaukelnden Bewegungen des Schiffes bei sich zu behalten. Das Kunststück glückte ihm allerdings nur an Deck, im Rumpf des Seglers hätte er längst wieder den Eimer gefüllt.
Ein leidendes Stöhnen entwich ihm. »Ich werde Angor lobpreisen, sobald ich nur einen Fuß auf echtem Boden habe. Ich verstehe nicht, wie man gern auf
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