Die Rache der Engel
forschenden Blick zu fixieren.
» Worauf warten Sie noch?«, brüllte er. » Wenn das Monster, von dem Sie gerade berichtet haben, immer noch da unten ist, benötigen wir noch mindestens fünf Minuten, bis wir aus seiner Schusslinie sind. Jetzt rufen Sie endlich an, Herrgott noch mal!«
77
Allmählich nahm die Sache für Michael Owen einen unangenehmen Verlauf. Wenn er nicht klug handelte, würden die Spürhunde des Präsidenten die Adamanten vor ihm abfangen und damit das eigentliche Ziel seiner Operation gefährden. Und als genügte das noch nicht, verhießen weitere X-Strahlungen, die an verschiedenen Punkten der Erde gemessen wurden – so als wären sie Echos auf das Signal, das die Steine des Paares ausgesandt hatten –, ebenfalls nichts Gutes. Anscheinend kam es derzeit zu irgendwelchen geomagnetischen Veränderungen des Planeten. Vielleicht war dies eine Warnung. Ein Zeichen dafür, dass der » große und schreckliche Tag« bevorstand. Aber, war sein Land überhaupt auf so etwas vorbereitet? Und die Behörde, deren Chef er war? Nein, niemand war das.
Soweit er wusste, gab es bislang nur einen Präzedenzfall. Jahrelang war es seine größte Sorge gewesen, alle Informationen über den einzigen » großen und schrecklichen Tag«, von dem die alten Chroniken berichteten, zusammenzuführen. Diesbezüglich setzte er die Obsessionen seiner Vorgänger seit Chester Arthurs Zeiten fort. Doch es war deprimierend zu sehen, dass all das Gelernte, dass all die gesammelten Belege bequem in eine einzige Mappe passten: ein Dossier, das Owen zum x-ten Mal angefordert hatte, um es in seinem gesicherten Büro in Fort Meade, Maryland, zu lesen, und das er sich immer wieder vornahm, wenn seine Arbeit in eine Sackgasse geraten war. » Um das Ende zu verstehen, muss man zuerst den Anfang begreifen«, sagte er sich.
Doch als er die Schwelle zu seinem Büro überschritt und die Macht spürte, die er von diesen vier Wänden aus entfalten konnte, lenkte ihn etwas ab.
» Die Nachrichten, die uns aus dem Département Oise, nordöstlich von Paris, erreichen, sind beunruhigend…«
Der riesige Flachbildschirm hatte sich eingeschaltet und die Lautstärke so hochgefahren, dass er seine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Owen ließ sein Jackett über eines der Chesterfield-Sofas gleiten und hörte zu. Dieses Büro war mit einem Nachrichtenscannersystem ausgestattet, das immer, wenn es etwas Interessantes registrierte, die Nachricht speicherte und sie ihm zeigte, sobald seine Anwesenheit in dem Raum festgestellt wurde. An dem Morgen hatte seine Assistentin in dem Wissen, dass ihr Vorgesetzter die Nacht beim NRO verbracht hatte, um magnetische Anomalien zu überwachen, das Gerät so programmiert, dass es alles aufzeichnete, was mit dem Thema zu tun hatte.
Als der Plasmabildschirm hell wurde, begann die Moderatorin der Sieben-Uhr-Nachrichtensendung des Parlamentssenders C- SPAN mit den internationalen Nachrichten. Das bekannteste Gesicht des Senders vom Capitol Hill, Lisa Hartmann, wirkte außergewöhnlich beunruhigt. » Was passiert denn gerade in Frankreich, Jack?«
Das kantige Gesicht von Jack Austin, dem Europakorrespondenten des Senders, erschien in Großaufnahme. Owen sah gespannt zu.
» Hier in Noyon, einer kleinen Stadt in der Picardie, kennt man immer noch nicht den Grund für den Notstand. Seit gestern Abend sind die zwanzigtausend Bewohner ohne Strom. Und die französische Elektrizitätsgesellschaft EDF hat immer noch keine Erklärung für den Ausfall der Stromversorgung, der auch den Bahnverkehr und die Krankenhäuser betrifft und zur Verunsicherung der Bevölkerung führt.«
» Haben die Leute Angst? Geht man davon aus, dass es sich um einen Sabotageakt von Terroristen handeln könnte?«
» Die Polizei hat sich dazu sehr eindeutig geäußert. Technische Gründe haben nicht zu dem Stromausfall geführt. Die Ursache dafür muss woanders gesucht werden, aber nicht in einem Anschlag. In der Nacht wurden sämtliche Umspannwerke des Départements geprüft, und keins wies eine Störung auf. Nicht einmal der Frost der letzten Tage hat ihnen etwas anhaben können.«
» Von welchen Ursachen gehen die Experten denn dann aus?«, fragte Lisa Hartmann vor der Washingtoner Kulisse nach.
» Eine Untersuchungskommission ist in diesem Augenblick zusammengetreten, um das Problem zu analysieren. Alle drücken hier die Daumen, dass sich der Stromausfall nicht auf nahe gelegene Städte mit mehr Einwohnern ausweitet, wie zum Beispiel
Weitere Kostenlose Bücher