Die Rache der Engel
fähig, um ihre Ziele zu erreichen. Aber offen gestanden hatte ich Zweifel, ob sie allein einen Haufen Terroristen aufhalten könnte, der bis an die Zähne bewaffnet war.
» Sie sind Julia Álvarez, nicht wahr?«
Ihre dunklen Augen funkelten, als sie mich in all dem Treiben im Helikopter beobachtete. Während ich meinen Sicherheitsgurt schloss und die Kopfhörer zurechtrückte, hatte Watson den Sitz gegenüber gewählt und ließ mich nicht aus den Augen.
» So ist es«, war meine lakonische Antwort.
» Ich freue mich, Sie gefunden zu haben!«
» Sagen Sie«, fiel ich ihr ins Wort, » stimmt es, dass Sie wissen, wo mein Mann ist?«
» Selbstverständlich«, bestätigte sie. » Ich werde zwar noch meine Koordinaten mit denen von Mr Dujok vergleichen, sobald wir in der Luft sind, aber ich glaube, wir beide haben die gleiche Information. Ihr Ehemann befindet sich im Grenzgebiet im Nordosten der Türkei. Haben Sie Ihren Adamanten bei sich?«
Es war nicht zu verleugnen, diese Frau kam direkt zur Sache.
» Ja, natürlich.«
» Darf ich… Darf ich ihn mal sehen?«
Watson formulierte ihre Bitte mit einer gewissen Ängstlichkeit. Ich reichte ihr den Stein, als der Hubschrauber vom Sandboden abhob.
» Er ist… schlicht und wunderschön«, flüsterte sie, während sie zärtlich darüberstrich. Der Stein war wieder erloschen.
» Er ist sehr mächtig, Ellen. Er könnte Sie umbringen, wenn Sie nicht wissen, wie man damit umgeht…«
» Es ist schon merkwürdig, nicht wahr?«, mischte sich Dujok ein, der gelassener wurde, als er sah, wie sein Vogel ohne weitere Zwischenfälle über die Ría schwebte. » Wegen solch eines Steines töten und sterben so viele Menschen…«
Ellen drehte sich zu Dujok.
» Wie Sie, zum Beispiel.«
» Oder Ihr Präsident.«
Der Armenier sagte dies, ohne seiner neuen Passagierin allzu viel Beachtung zu schenken. Er klappte einen der freien Sitze vor sich auf und holte aus der Öffnung eine kleine Kühlbox, aus der er mehrere gekühlte Mineralwasserflaschen und Sandwichs nahm, die er zu unserer großen Freude verteilte. Ich selbst war fix und fertig. Ich hatte die ganze Nacht nicht geschlafen, und die Aufregung wegen des Angriffs auf Santa María a Nova hatte mir, obwohl ich mich recht passabel hielt, einen Riesenhunger beschert. Während ich in ein mit Krebsfleisch und Salat belegtes Brot biss, hörte ich, wie Dujok und die Motorradfahrerin ihr Streitgespräch fortsetzten.
» Also«, nahm Ellen den Faden wieder auf, » seit wann wissen Sie, dass es in den USA ein Projekt gibt, das den Stein unter seine Kontrolle bekommen will?«
Dujok sah sie verwundert an.
» Seit Martins Vater nach Armenien kam und dort nach ihm suchte, junge Frau. Aber das ist schon sehr lange her…«
» Martins Vater? Bill Faber?« Ich hätte mich beinahe an meinem zweiten Bissen verschluckt.
» William L. Faber. Genau. Kennen Sie Ihren Schwiegervater gut, Mrs Álvarez?«
Ich spürte einen Stich in der Magengrube.
» Ehrlich gesagt«, gab ich schluckend zu, » ich habe ihn nie gesehen. Ich dachte ja, ich würde ihn bei unserer Hochzeit in Biddlestone kennenlernen, aber da ist er nicht gekommen.«
» Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr es mich erstaunt hätte, wenn ich ihn dort gesehen hätte!«, verriet der Armenier lachend. » Er ist sehr menschenscheu, wissen Sie? Er kam 1950 in mein Land, kurz nachdem die Erkundungsflugzeuge des Pentagon die ersten Fotos von der vorgeblichen Arche Noah am Berg Ararat aufgenommen hatten. Er kam als sehr junger Pilger zu meiner Gemeinschaft. Er erzählte allen, dass er dort einen heiligen Stein suchte, den er Chintamani nannte. Alle hielten ihn für eine Art Aussteiger, als er berichtete, dass er im Himalaja erfolglos danach gesucht habe, inzwischen aber überzeugt sei, dass der Stein in unsere Berge gelangt sein müsse. Als er dann die Zuneigung meines Volks erworben hatte, verschwand er immer wieder für längere Zeiträume, ohne dass jemand wusste, wohin er ging oder was er unternahm.«
» Er ist durch ganz Asien gereist, um einen Stein zu suchen?«, fragte ich nach. » Aber wer hat das alles denn bezahlt?«
» Jetzt weiß ich, dass es das Elias-Projekt gewesen ist, Mrs Faber. Aber damals war dessen Existenz nicht einmal bekannt. Bill erzählte, er habe durch einen Russen von dem Stein erfahren, durch den damals berühmten Maler Nicholas Roerich, der ihn als ein verehrungswürdiges Instrument für die Verbindung mit den Himmeln gemalt hatte. Roerich ging sogar
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