Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
Vom Netzwerk:
von der Echtwelt an. Ich glaubte es jedenfalls nicht, aber es war immer besser, auf Nummer sicher zu gehen. Lieber zweimal hinsehen und beruhigt sein, als bloß einmal gucken und sich die Rübe wegblasen lassen, sagte Dad.
    Dad. Ist er schon unterwegs? Noch ist es hell, also müsste er okay sein. Mir gefiel nicht, dass meine Brust sich zu eng anfühlte.
    Der Junge griff in seine Tasche und angelte eine zerknautschte Winston-Schachtel heraus. Seine Augenwinkel kräuselten sich. Immerhin hatte er nicht diese krassen mandelförmigen Augen abbekommen, mit denen eine Menge Halbasiaten leben mussten. Sie sahen dann aus, als würden sie dauernd versuchen, Clint Eastwood in den Schatten zu blinzeln. »Willst du eine?«, fragte er noch einmal.
    Was war das denn? Ich starrte auf sein Kruzifix. Hatte er einen Schimmer, was das bedeutete? Oder wie es ihm an bestimmten Orten einen Haufen Schwierigkeiten einhandeln konnte?
    Wahrscheinlich nicht. Deshalb ist die Echtwelt ja die Echtwelt: weil die normale Welt denkt, neben ihr läuft nichts anderes.
    »Nein danke.« Ich will einen Kaffee und ein Sandwich. Ich will mich irgendwo hinsetzen und zeichnen. Und das möglichst an einem Platz, wo die Sonne nicht hinscheint und ich mir nicht wie ein Alien vorkomme. Also lass mich verdammt noch mal in Ruhe! Ich hätte Dad von der Eule erzählen müssen. Mein Gewissen quälte mich. »Das mit Bletchley tut mir leid.«
    Er zuckte so schnell mit den Schultern, wie man es sonst vor allem bei Vögeln sieht. Überhaupt war alles an ihm vogelähnlich, angefangen bei der Hakennase, die nicht zu seinem karamellhäutigen Babygesicht passte, bis hin zu diesen rastlosen Fingerbewegungen. Er klopfte eine Zigarette aus der Packung und nahm ein silbernes Feuerzeug hervor, mit dem er sie anzündete, eine Rauchwolke ausblies und prompt einen Hustenanfall bekam.
    Hallo? Ich erfror hier freiwillig, weil der obercoole Gothic Publikum brauchte?! »Schon okay«, meinte er, sowie er wieder sprechen konnte. »Das macht die blöde Kuh dauernd.«
    Wie schön, dass ich wenigstens keine eingeschliffenen Muster gestört habe! Ich stand da und wusste nicht, was ich sagen sollte. Deshalb entschied ich mich für Achselzucken, drehte mich um und ging weiter. »Bis dann!«
    »Schwänzt du?« Er kam neben mich, ohne auf den deutlichen Wink zu achten. »Fängst gleich gut an, was?«
    Lass mich in Frieden! »Daran will ich heute nicht denken.«
    »Okay, ich weiß, wo man hingehen kann. Spielst du Pool?« Beim nächsten Zug schaffte er es, nicht loszuhusten. »Ich bin übrigens Graves.«
    Wann habe ich dich denn gefragt, ob du mitkommst? »Weiß ich.« Ich sah wieder auf meine Stiefel. »Dru.« Und wage es ja nicht, zu fragen, wofür das die Kurzform ist!
    »Dru«, wiederholte er. »Du bist neu. Erst seit ein paar Wochen hier, oder? Willkommen in Foley!«
    Ja, danke vielmals, und du darfst das Begrüßungskomitee in der Turnhalle lassen. Ich wusste nicht, wie ich ihn loswerden sollte, also gab ich einen zustimmenden Laut von mir. Wir überquerten das Fußballfeld in einem komischen Tandem, denn er musste seine Schritte extraklein machen, um auf meine Stummelbeine Rücksicht zu nehmen. Ich musterte ihn verstohlen. Bei einem Kampf würde ich mir größere Chancen ausrechnen, denn er sah nicht aus, als könnte er viel aushalten.
    Dennoch wanderte ich mit einem Jungen in den Wald, den ich nicht kannte. Ich warf kurze Blicke auf seine Hände und entschied, dass er in Ordnung sein könnte. Zumindest konnte ich ihm in den Hintern treten, sollte er irgendetwas versuchen, und die Begrünung neben dem Schulgelände war nicht besonders breit.
    Er setzte noch einmal an. »Wo kommst du her?«
    Von einem sehr weit entfernten Planeten, wo Alpträume real sind. »Florida.« Früher oder später kam die Frage immer. Manchmal, vor allem als ich jünger war, log ich. Heute tat ich meistens so, als hätte ich vorher da gelebt, wo wir zuletzt gewesen waren.
    Eigentlich wollten die Leute gar nichts über einen wissen. Sie wollten bloß erfahren, ob man in ihre kleinen Schubladen passte. In den ersten zwei Sekunden legten sie fest, was man war, und sie wurden nur nervös oder wütend, wenn man dem Bild nicht gerecht wurde, das sie sich in jenem ersten Moment gemacht hatten. In diesem Punkt ist die normale Welt genauso wie die Echtwelt: Alles steht und fällt damit, was Leute glauben, das man ist. Finde es heraus, halte dich an ihre Erwartungen, und alles geht glatt.
    »Ja, du klangst gleich ein bisschen

Weitere Kostenlose Bücher