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Die Rache der Jagerin

Die Rache der Jagerin

Titel: Die Rache der Jagerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Medling
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Denn mir war völlig egal, ob ich zum Direktor geschickt wurde, nachsitzen musste oder sonst was.
    Das Beil fiel. »Mr. Graves.« Bletchs Augen blitzten auf.
    Der Junge vor mir erstarrte.
    Blut im Wasser. Ich versuchte, mich nicht schuldig zu fühlen.
    »Ich hoffe sehr, dass Sie sich Notizen machen. Nachdem Miss Anderson die Frage nach den Anfängen beantwortet hat, können Sie uns vielleicht verraten, welches die Gründe für den Bürgerkrieg waren.« Sie zog die Brauen hoch. Der Raubtierglanz in ihren Augen erinnerte mich an Wasserschlangen in Terrarien, die lidlos vor sich hin blickten, ehe sie ihr Maul öffneten und dieses scheußliche Knarrgeräusch von sich gaben. Das Pochen der Schlangenköpfe am Glas hallte mir durch den Kopf, und gleichzeitig meinte ich, den Geruch von roten Bohnen mit Reis, schmutzigem Schweiß und Weihrauch wahrzunehmen.
    Wir waren weit weg von Florida. Die Inhaberin des kleinen Ladens für Okkultes hatte mir mit ihren glasigen Augen und dem Kram, den sie hinter sich herzog, eine Gänsehaut gemacht – ausgelöst von einer Wolke von Störungen, die gewöhnliche Leute nicht sahen, aber doch wie einen kalten Luftzug fühlten. Sie hatte mich lange Zeit gemustert, bis Dad mit den Fingern schnippte und ihr sagte, er würde mit ihr reden, also bitte, Ma’am!
    Ich hätte ihm das mit der Eule sagen müssen. Mich fröstelte so sehr, dass meine Finger vor Kälte taub wurden.
    »Ähm. Gründe für den Bürgerkrieg. Ähhhh …« Der Junge vor mir stammelte, und Bletch hatte ihn. Den Rest der Stunde nahm sie ihn auseinander, obwohl er die richtigen Antworten wusste … als sie ihn denn endlich zu Wort kommen ließ. Bis zum Läuten war sogar sein Nacken rot. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, doch das bremste mich nicht.
    In den Gängen herrschte Gedränge. Sportfreaks brüllten, Cheerleader lächelten affektiert, und wir anderen versuchten bloß, unbemerkt weiterzukommen. Eine Gruppe Kiffer stand vor einem Schließfach, und ich hätte schwören können, dass ich sah, wie eine braune Papiertüte den Besitzer wechselte. Ich blickte mich um: Nein, keine Lehrer in Sicht. Ein Mädchen aus meinem Kunstkurs stierte haarscharf an meinem verhaltenen Winken vorbei und rauschte weiter, ihren Rucksack schlaff über eine Schulter gehängt.
    Ich hasste es, die Neue zu sein!
    Die Cafeteria war ein einziges Lärmchaos, in dem der Bohnerwachsgeruch sich mit dem von Kantinenessen mischte. Ich besaß ein bisschen Kleingeld für die Münztelefone, die zwischen der Cafeteria und dem Todestrakt mit dem Direktorenbüro hingen. Ich steckte die Münzen in einen der Apparate und wählte die Nummer in meinem Yoda-Notizbuch – die letzte in einer Reihe von Telefonnummern, die teils mit Bleistift, teils mit blauer Tinte geschrieben waren. Das Telefon war schon angeschlossen gewesen, als wir einzogen, auf den Namen des letzten Mieters angemeldet, und es war einfacher, seine Rechnungen zu bezahlen, solange wir hier wohnten. Dass ich mir jede verfluchte Telefonnummer merkte, konnte niemand von mir erwarten. Zumindest rechtfertigte ich mich so gegenüber Dad, wenn er sich über mich lustig machte, weil ich sie aufschrieb.
    Er konterte, ich sollte nicht fluchen, und hörte auf, mich auf den Arm zu nehmen. Oh, du schöne heile Anderson-Welt!
    Es tutete aus dem Hörer. Einmal. Dreimal. Fünfmal.
    Entweder war er nicht da, oder er trainierte und nahm deshalb nicht ab. Ich überlegte, den Rest des Unterrichts zu schwänzen, aber dann wäre er sauer, und ich müsste mir wieder einen Vortrag über den Wert der Schulbildung anhören. Wagte ich es, zu bemerken, dass Schulbildung nicht alles war und ich an der Highschool nicht lernen konnte, wie man Geister aus Häusern vertrieb oder einen Zombie plattmachte, folgte gleich der nächste Vortrag darüber, dass ich mich unbedingt normal verhalten musste.
    Nur weil er Dinge jagte, die in Sagen und Märchen vorkamen, durfte ich nicht gleich die Schule schwänzen. O nein! Er ließ nicht einmal gelten, dass er ohne mich ziemlich blind war, weil die mütterliche Seite seiner Familie die mit dem Talent war, das Gran als »die Gabe« bezeichnet hatte.
    Und was für eine Gabe! Mir ist noch nicht ganz klar, ob man sie »verrückt« oder bloß »unheimlich« nennen sollte. Das sollten wohl lieber andere entscheiden.
    Dad schien nie traurig oder unglücklich, weil ihm diese Hokuspokus-Ader fehlte. Andererseits hatte Gran eine tiefe Abneigung gegen alles »Geschmolle« gehabt, wie sie es ausdrückte,

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