Die Rache der Kinder
aber aufdringliche und häufig gehässige Frau, die Kate zutiefst verabscheute.
Ihre Mutter jedoch betrachtete Sandi West als so etwas wie ihre Erlöserin.
»Sandi glaubt an mich, Kate«, hatte Bel bei mehr als einer Gelegenheit gesagt. »Sie glaubt an mein Talent.«
»Warum auch nicht?«, hatte Kate erwidert. »Du bist ja auch talentiert.«
Sandi hatte überdies erklärt, Michael sei ein Narr gewesen, dass er Bel verlassen hatte, und Kate sei kalt, weil sie ihre Mutter gebeten habe, bei ihr einzuziehen; und laut Bel hatte Sandi trotz ihrer Schmerzen und Geldprobleme immer Zeit für sie.
»Sie ist eine Kreuzung zwischen Fan und Schulhofschläger«, hatte Kate sie einmal Rob gegenüber beschrieben.
»Deine Mom scheint mir nicht gerade der Typ zu sein, der sich von jemandem einschüchtern und unterdrücken lässt«, hatte Rob erwidert.
Das stimmte, obwohl Kate sich dann und wann über das Timing von Mrs. Wests Auftauchen in Bels Leben wunderte, so kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch ihrer Ehe. Auch fragte sie sich, ob Sandi sich vielleicht in ihre Mutter verliebt hatte. Offen gesagt, glaubte Kate nicht, dass es ihr etwas ausmachen würde, sollte Bel sich sexuell umorientieren, solange sie nur glücklich wurde.
Egal mit wem.
Nur nicht mit Sandi West.
Michael Oliver, Kates Vater, trug einen großen Teil der Schuld am Scheitern der Ehe, und das gab er auch zu.
»Ich bin einfach nicht der Mann, den Bel hat heiraten wollen«, sagte er einmal.
Und das stimmte, nahm Kate an. Michael war ein attraktiver, schlanker Mann mit freundlichen grauen Augen, die zu seinem ergrauenden Haar passten. Er war Strafverteidiger gewesen, hatte dann aber beschlossen, nicht mehr vor Gericht zu arbeiten, weil sowieso stets die Falschen bestraft wurden.
»Himmel!«, hatte Bel damals gesagt. »Das hast du doch immer gewusst.«
»Aber es hat mir bisher nichts ausgemacht«, hatte Michael erklärt. »Das hat sich geändert.«
»Blödsinn«, hatte Bel erwidert.
Dass seine Frau ihn in diesem entscheidenden Moment nicht unterstützt hatte, war offenbar eine Desillusion zu viel gewesen, und so hatte Michael nach einer Weile beschlossen, dass er nicht mehr Bels Ehemann sein wollte. Tatsächlich wollte er nur noch eines mit Leidenschaft sein: Kates Vater. Das war das Einzige, was von all den Beziehungen und beruflichen Aktivitäten geblieben war, die bis dahin seine Identität ausgemacht hatten.
»Ich konnte den Gedanken nicht ertragen«, hatte er einmal zu seiner Tochter gesagt, »dass du mir nie verzeihen könntest.«
» Ich muss niemandem etwas verzeihen«, hatte Kate erwidert.
»Aber ich weiß, wie hart das für dich gewesen ist«, entgegnete Michael.
»Natürlich«, sagte Kate, »denn ich liebe euch beide.«
»Liebe«, seufzte ihr Vater mit gequälter Stimme. »Ist sie ein Segen oder ein Fluch?«
»Ein bisschen von beidem, nehme ich an«, hatte Kate gesagt und es prompt als Aufhänger für ihre wöchentliche Kolumne verwendet.
Doch wie sehr sie ihre Eltern auch liebte – Kate leugnete es jeden Monat, wann immer sie in die dunklen Tiefen ihrer prämenstruellen Phase stürzte. Aus jeder Mücke machte sie einen Elefanten und pöbelte herum, bis sie auch den letzten Menschen vergrault hatte, der ihr nahestand. Zu guter Letzt galt ihre Abscheu dann sich selbst.
»Ich bin eine furchtbar glückliche Zicke, dass du mich erträgst«, hatte sie einmal zu Rob gesagt. »Und das, obwohl es jeden Monat das Gleiche ist.«
Und Kate hatte sich damals glücklich gefühlt. Sie wusste, wie gut das Leben zu ihr gewesen war. Nachdem sie eine schöne Kindheit in Henley-upon-Thames verbracht hatte, war sie nach Sheffield an die Journalistenschule gegangen und hatte dort eine ebenso angenehme Zeit gehabt. Anschließend hatte sie eine Traineestelle bei den Sunday News bekommen – wieder ein Glücksfall, denn Richard Fireman hatte sich sofort für ihren geschwätzigen Stil und ihre eklektische Themenauswahl erwärmt. Anschließend hatte sie dann auch noch ein Apartment an der Church Street in Reading gefunden, direkt um die Ecke der Redaktion in der Prospect Street.
»Warum nicht London?«, hatte Abby Wells gefragt, eine Freundin aus Studienzeiten, als Kate den Job angenommen hatte.
»Ich weiß nicht«, hatte Kate geantwortet. »Mangelndes Selbstvertrauen, nehme ich an.«
»Du?« Abby war überrascht. »Du kannst schreiben! Du weißt, wie du die Leute dazu bringst, dass sie dir zuhören. Wie du sie dazu bringen kannst, dich schreiben zu lassen
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