Die Rache Der Wache
Alten Mann heute morgen zu helfen. Da seine Erziehung es ihm unmöglich machte, dieses Versprechen zu brechen, verlangte sein Eigensinn, daß er seinen Widerwillen durch Zuspätkommen zeigte.
Obwohl er hier seit früher Jugend herumgestreift war und wußte, daß die Piers so sauber wie nur möglich waren, wählte Hort seinen Weg doch sorgfältig, um nicht irgendwo seine Kleidung zu beschmutzen. In letzter Zeit achtete er viel sorgfältiger auf sein Äußeres als früher, und heute morgen hatte er festgestellt, daß er keine alten Sachen mehr hatte, die er zu dieser Arbeit hätte anziehen können. Natürlich war ihm klar, daß es unmöglich war, den gegenwärtigen Zustand seiner Kleidung zu bewahren, wenn er den ganzen Tag im Boot zubringen mußte, doch seine neuen Angewohnheiten erforderten, daß er den Schaden auf ein Minimum beschränkte.
Der Alte Mann wartete auf ihn. Wie ein stattlicher Seevogel, der nach einem guten Fang ein Schläfchen hält, saß er auf dem umgedrehten Kahn. Das Messer in seiner Rechten bearbeitete das Stück Holz in der anderen Hand mit langsamem Gleichmut. Mit jeder Handbewegung fiel ein langer gekräuselter Span auf den Haufen, der sich bereits gebildet hatte. Die Größe dieses Haufens zwischen den Beinen des Alten Mannes war ein stummes Zeugnis dafür, wie lange er schon wartete.
Seltsam, Hort hatte ihn in Gedanken nie anders als »der Alte Mann« genannt, nie Vater. Selbst die Männer, die seit ihrer gemeinsamen Jugend mit ihm in diesen Gewässern fischten, nannten ihn Alter Mann, statt Panit. Er war aber gar nicht wirklich alt, sein Gesicht täuschte. Von Wind und Wetter mit Fältchen durchzogen, sah das Gesicht des Alten Mannes wie eines dieser Flußbetten aus rotem Ton aus, wie man sie in der Wüste außerhalb von Freistatt sah: aufgesprungen, ausgetrocknet, auf Regen wartend, der nie fallen würde.
Nein, das stimmte auch nicht. Der Alte Mann sah nicht wie die Wüste aus. Der Alte Mann würde nichts gemein haben wollen mit einer so gewaltigen Ansammlung von Sand und Steinen. Er war ein Fischer, ein Geschöpf des Meeres und so sehr Teil der See wie einer der verwitterten Felsen am Hafen.
Der Alte blickte beim Herannahen seines Sohnes auf, dann wandte er sich wieder seiner Schnitzerei zu.
»Ich bin hier«, sagte Hort unnötigerweise und fügte hinzu: »Tut mir leid, daß ich so spät komme.«
Er verfluchte sich insgeheim, als ihm diese Entschuldigung entschlüpfte. Schließlich war er fest entschlossen gewesen, sich nicht zu entschuldigen, ganz gleich, was der Alte Mann sagte, doch als er gar nichts sagte ...
Sein Vater erhob sich ohne Eile, schob das Messer in die Scheide zurück mit einer Geste, die er durch Jahre der Wiederholung flüssig und fast unbewußt ausführte.
»Hilf mir das Boot umdrehen«, sagte er und bückte sich, um nach dem einen Ende zu greifen.
Nur das. Kein Wort zu der Entschuldigung. Keine Schelte. Es war, als hätte er mit der Verspätung seines widerwilligen Helfers gerechnet.
Wütend dachte Hort darüber nach, während er stöhnend half, den Kahn umzudrehen und sicher ins Wasser zu bringen. So verärgert war er über die ganze Situation, daß er bereits im Boot saß und nach den Rudern griff, die sein Vater vom Pier herabreichte, ehe er sich daran erinnerte, daß der Alte Mann diesen Kahn jahrelang allein ins Wasser geschafft hatte. Die unerfahrenen Hände seines Sohnes hatten die Arbeit eher behindert, als ihm dabei geholfen.
Noch gereizter ließ Hort das Heck vom Pier wegtreiben, als sein Vater sich daranmachte einzusteigen. Doch diese kleine Bosheit verfehlte ihre Wirkung. Der Alte Mann stieg ins Boot und streckte sein Bein mit schlafwandlerischer Sicherheit über das Wasser, ohne weiter darauf zu achten, was er tat.
»Rudere in diese Richtung«, wies er seinen Sohn an.
Mit zusammengebissenen Zähnen gehorchte Hort.
Der alte Rhythmus kehrte nach wenigen Schlägen zurück. Früher hatte er das Boot seines Vaters gern gerudert. Wie stolz es ihn gemacht hatte, als er groß genug war, allein die Ruder bedienen zu dürfen. Als er kein kleines Kind mehr war, auf das seine Mutter aufpassen mußte, hatte er sich gesonnt in dem Bewußtsein, der Junge des Alten Mannes zu sein. Seine Spielkameraden hatten ihn um die Verwandtschaft mit dem Fischer beneidet, der als einziger die äußerst schwer zu fangenden Nya heimbrachte — die kleinen Fische, die sich in Schwärmen fortbewegten und deren süßes Fleisch jeden Nachmittag, wenn der Fang an Land war, den
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