Die Rache Der Wache
für Ungeheuer erheben, schwimmt es vielleicht fort, um nicht ausgenommen zu werden wie wir alle. Soldaten!«
Wieder spuckte der Alte Mann ins Wasser und verfiel in Schweigen, das Hort sich scheute zu brechen. Statt dessen beschäftigte er sich den Rest der Rückfahrt mit dem fallenzerschmetternden Ungeheuer. Irgendwie wußte er, daß das sinnlos war. Erfahrenere als er, der Alte Mann beispielsweise, hatten es bereits getan, ohne eine Erklärung zu finden. Da würde er wohl nicht gerade darüber stolpern. Trotzdem befaßte er sich weiter damit, bis sie den Pier erreichten. Erst nachdem sie das Boot in der Sonne umgedreht hatten, wagte Hort sich wieder an seinen Vater zu wenden.
»Sind wir fertig für heute?« fragte er. »Kann ich jetzt gehen?«
»Du kannst«, antwortete der Alte Mann und blickte seinen Sohn mit undurchdringlicher Miene an. »Es könnte natürlich Probleme geben, wenn du es tust. Fragte deine Mutter mich jetzt: >Bist du heute ausgefahren?<, kann ich ja sagen. Wenn du bei mir bleibst und sie fragt: >Hast du den Tag mit dem Alten Mann verbracht?<, kannst du ja sagen. Gehst du jedoch weg, wirst du >nein< sagen müssen, und uns beiden bleibt nichts übrig, als ihr zu erklären weshalb.«
Das verblüffte Hort fast noch mehr als die Neuigkeit von dem Ungeheuer in den Fischgründen. Nie hätte er gedacht, daß der Alte Mann fähig war, seine Unternehmen durch ein solches Gespinst aus Halbwahrheiten vor seiner Frau geheimzuhalten. Diesem Schock dicht auf den Fersen folgte eine Welle ungeheurer Neugier über die Pläne seines Vaters für einen großen Teil der Zeit, in die er seine Frau nicht einweihte.
»Ich bleibe«, erklärte Hort mit gespieltem Gleichmut. »Was tun wir jetzt?«
»Als erstes«, sagte der Alte Mann, als sie den Pier verließen, »gehen wir ins Weinfaß.«
Das Weinfaß war eine nahezu baufällige Schenke in der Hafengegend, in der die Fischer verkehrten und die deshalb von fast allen anderen gemieden wurde. Da er wußte, daß sein Vater nicht trank, bezweifelte Hort, daß der Alte Mann sie je zuvor besucht hatte. Trotzdem betrat er sie mit sicherem Schritt.
Alle waren sie dort: Terci, Ornat, Varies und alle anderen. All die Fischer, die Hort seit seiner Kindheit kannte und auch viele, die er nicht kannte. Selbst Haron, die einzige Frau, die sich unter den Fischern hatte durchsetzen können und die von ihnen anerkannt wurde, war da. Ihr rundes, fleischiges Gesicht war nicht weniger verwittert als das der Männer und unterschied sich auch kaum von denselben.
»He, Alter Mann, hast du endlich aufgegeben?«
»Hier ist Platz!«
»Wein für den Alten Mann!«
Panit achtete nicht auf die Rufe von verschiedenen Tischen in der dunklen Wirtsstube, sondern ging unbeirrt zu dem großen Tisch, der traditionsgemäß für die ältesten Fischer reserviert war.
»Ich habe dir ja gesagt, daß du noch hierherkommen würdest«, begrüßte Ornat ihn und rückte die freie Bank mit seinen langen dünnen Beinen für Panit zurecht. »Also, wer ist ein Feigling?«
Der Alte Mann beachtete weder den Spott noch die Bank. Mit beiden Händen stützte er sich auf die Tischplatte und wandte sich an die Veterane. »Ich kam nur, um eine Frage zu stellen«, zischte er. »Habt ihr, oder auch bloß einer von euch, vor, etwas zu unternehmen gegen das, was immer es auch ist, das euch aus dem Meer vertrieben hat?«
Wie vorher abgesprochen, wendeten alle gleichzeitig den Blick ab.
»Was könnten wir denn tun?« fragte Terci finster. »Wir wissen ja nicht einmal, was es ist. Vielleicht zieht es weiter ... «
»Vielleicht auch nicht«, unterbrach der Alte Mann ihn grimmig. »Ich hätte es wissen müssen. Verängstigte denken nicht, sie verkriechen sich. Nun, ich habe noch nie herumgesessen und darauf gewartet, daß meine Probleme sich von selbst lösen, und ich denke nicht daran, jetzt damit anzufangen.«
Er stieß die freie Bank aus seinem Weg und wandte sich der Tür zu, dabei hätte er fast Hort angerempelt.
»Was hast du vor?« rief Terci ihm nach.
»Ich werde eine Lösung finden!« erklärte der Alte Mann voller Verachtung für die anderen. »Und ich werde sie finden, wo ich sie bisher immer gefunden habe — im Meer, nicht auf dem Grund eines Weinbechers.«
Mit diesen Worten schritt er zur Tür. Hort machte sich daran, ihm zu folgen, als jemand seinen Namen rief. Er drehte sich um.
»Ich dachte mir doch, daß du es bist unter diesen Stadtkleidern«, sagte Ornat ohne Spott. »Paß auf ihn auf, Junge. Er ist
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