Die Rache Der Wanderhure
Getreuen, die jederzeit Zutritt zu Sigismund erhielten.
Hiltrud wollte jedoch nicht klagen, denn ihr ging es ebenfalls gut. Mit Thomas hatte sie einen braven Mann. Gemeinsam bewirtschafteten sie den Meierhof der Burg. Für sie, die sie jahrelang als Wanderhure von Markt zu Markt hatte ziehen müssen, war dies weitaus mehr, als sie sich je erträumt hatte. Nun hatte sie ein festes Dach über dem Kopf, genug zu essen und in Marie eine Freundin, auf deren Zuneigung sie bauen konnte.
Verwundert, weil sie plötzlich wieder an jene Vergangenheit denken musste, die sie am liebsten für immer vergessen hätte, nahm Hiltrud den leeren Becher von Marie entgegen, füllte ihn und reichte ihn Michel. Dieser trank ebenfalls, bedankte sich bei ihr und sah dann seine Frau nachdenklich an.
»Du hast mich aufgefordert, dir zu zeigen, wie man mit dem Schwert umgeht. Doch du bist nicht mit dem Herzen dabei. Wenn du kämpfst, musst du es mit jeder Faser deines Leibes und voller Konzentration tun.«
Hiltrud schüttelte den Kopf über Maries Verbissenheit, Dinge lernen zu wollen, für die eine Frau nicht geschaffen war, und ging weiter, um ihrem Mann etwas zu trinken zu bringen. Dabei kam sie an Trudi vorbei und strich dem Mädchen übers Haar.
Marie hob das Schwert zum Schlag. »Weißt du, wofür ich von Herzen danke?«, sagte sie zu Michel, nachdem dieser ihren ersten Hieb abgeblockt hatte.
»Wofür?«
Da Michel für einen Augenblick abgelenkt war, führte Marie einen schnellen Hieb aus, den ihr Mann im letzten Moment parieren konnte.
»Schade. Beinahe hätte ich dich getroffen.«
Michel ging nicht darauf ein, sondern sah sie lächelnd an. »Wofür wolltest du danken?«
»Für all das hier!«, antwortete Marie und schüttelte den Kopf über sich selbst, so dass ihr Haar aufstob und in der Sonne leuchtete.
Diesmal passte sie nicht richtig auf und sah Michels Klinge wie einen Blitz auf sich zustoßen. Mit letzter Kraft lenkte sie die Waffe ab und trat einen Schritt zurück, um in aller Ruhe weiterzusprechen. »Ich danke dem Schicksal auch für unsere wunderbare Tochter und die Treue unserer Freunde Hiltrud und Thomas.«
»Und weiter?«, fragte Michel gespannt, während sie erneut die Klingen kreuzten.
»Für die Gunst des Königs, der dich zum Burghauptmann von Hohenstein gemacht hat.«
So ganz gefiel Michel dieser Satz nicht, und er führte seinen nächsten Hieb härter als die vorhergehenden. Marie konnte ihn abwehren, doch ihre Arme schmerzten bis in die Schultern hinein. Aufkeuchend wich sie einen weiteren Schritt zurück.
»Wenn du nicht aufpasst, fällst du gleich in den See«, warnte Michel sie lachend. »Und wofür dankst du dem Schicksal noch?«
Dabei attackierte er Marie ganz plötzlich, doch diesmal konnte sie dem Schlag mit Leichtigkeit ausweichen.
»Für was soll ich dem Schicksal noch danken?«, fragte sie mit schelmischem Blick.
Diesmal achtete sie zu spät auf Michels Klinge. Mit einer geschickten Drehung prellte er ihr die Waffe aus der Hand und setzte ihr spielerisch die Schwertspitze an den Hals.
Marie hob lachend die Arme. »Gnade, ich ergebe mich! Aber zu deiner Frage: Ich danke dem Schicksal vor allem für den Sohn eines Schankwirts, der mich zu seiner Kastellanin gemacht hat.«
Mit der Linken schob sie Michels Klinge beiseite und zog ihn mit der anderen Hand an sich.
»Ich weiß etwas Besseres für uns, als mit einem dummen Schwert herumzufuchteln«, flüsterte sie und küsste ihn.
Michel schlang die Arme um sie und genoss für einige Augenblicke ihre Nähe. Dann griff er unter sein Wams und holte ein Armband aus gelbem Samt hervor, auf dem elf kleine Muscheln befestigt waren. »Eigentlich sollte es ein Armreif aus Gold mit elf Perlen sein, eine für jedes Jahr, das ich mit dir verbringen durfte. Leider hat mich der Goldschmied versetzt, und so habe ich dir dieses Muschelarmband gemacht.«
»Danke!« Maries Gesicht wurde weich, und sie schmiegte sich an ihren Mann, während dieser ihr das selbstgefertigte Armband umlegte.
»Elf Muscheln – und jede birgt ein Geheimnis«, flüsterte sie ergriffen.
»Das Geheimnis unserer Liebe!« Michel lächelte sanft, hob dann aber Maries Schwert auf und reichte es ihr. »Nun stell dir vor, ich wäre dein größter Feind, und du müsstest dich, unsere Tochter und all unsere Freunde gegen mich verteidigen!«
Marie schauderte es. »Mein größter Feind ist tot!«
Sie sah zu Trudi hinüber, als benötige sie den Anblick der Tochter, um die Gedanken, die ihr
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