Die Rache der Zwerge
stellte den Korb auf den Tisch. »Entschuldigt meine unfreundliche Begrüßung.« Er hob den Arm und winkte ab. »Lasst es gut sein. Ich kann Euch verstehen.«
»Er hat mir Geld geschenkt«, sagte Flira und reichte ihrer Mutter den Beutel.
»Das ist für das Brennmaterial«, lächelte Rodario sie an. »Könnt Ihr mir sagen, wie ich von der Insel wieder wegkomme? Ich muss nach Mifurdania.«
»Ihr geht einfach über die Dünen und folgt dahinter dem Weg nach rechts. Er führt Euch nach Stillwasser. Es ist ein Fischerstädtchen, wo sich jemand finden wird, der Euch mitnimmt.« Talena nahm die Kräuter aus dem Korb und wusch sie in einer Schale mit Wasser. »Hat Euch die Geschichte meines Sohnes wirklich so gut gefallen?« »Sehr«, bestätigte Rodario nochmals und zwinkerte Ormardin zu. »Und ich meinte es ernst, als ich von Talent sprach. Wenn er nicht das Handwerk seines Vaters erlernen soll, lasst ihn zum Er Zähler ausbilden. Ich kenne ein paar gute Meister in diesem Fach, die sich über einen derart begabten Schüler freuen würden.«
»Oh, bitte, Mutter. Flira kann ja Fischerin werden«, bettelte der Junge.
»Nein, will ich aber nicht«, kam es auf der Stelle von ihr.
Talena wandte sich um. »Gebt Ruhe. Wartet, was euer Vater dazu sagt.« Sie schaute zu Rodario. »Ich würde an Eurer Stelle gleich aufbrechen. Soweit ich weiß, fährt Mendar mit seiner Schaluppe zur Mittagszeit nach Mifurdania, um Seliti-Austern auf dem Markt zu verkaufen. Sagt Mendar, dass ich Euch schicke, und er wird Euch ohne Entgelt einen Platz überlassen.«
»Danke, Talena.« Er zupfte sein Hemd von der Stange und kleidete sich an. »Vielleicht sehen wir uns wieder«, sagte er zu Ormardin und ging vor ihm in die Hocke. »Hast du was zu schreiben? Dann notiere ich dir ein paar Namen von großen Märchenerzählern.«
Der Junge nickte, eilte davon und kam mit einem Stück Schiefer und Kreide zurück. Rodario hinterließ darauf die Namen zweier bekannter Erzähler und die Königreiche, in denen sie lebten. »Du wirst nach ihnen fragen müssen, weil sie viel umherreisen. Aber es ist leicht, sie zu finden.« Er zauste ihm zum Abschied die Haare. »Palandiell hilft dir dabei, Ormardin.«
Talena gab ihm ein Stück Brot und Trockenfisch mit. »Für unterwegs«, sagte sie und nickte ihm zu. In ihren Augen las er, dass ihr Sohn niemals die Gelegenheit haben würde, von der Insel wegzukommen. Sein Los bestand darin, ein Fischer zu werden wie sein Vater und vermutlich dessen Vater und alle Ahnen vorher. »Elria sei mit Euch.«
Sie geleitete ihn bis zur Tür und zeigte auf den Punkt in den nebelverhangenen Dünen, wo sich der Weg am leichtesten fand. Er hatte sich kaum drei Schritte von der Hütte entfernt, hörte er auch schon, wie die Tür zufiel. Die weißen Schleier, die ihn einschlössen und ihm jede Fernsicht raubten, schmeckten süß, ein wenig nach Tang und Sand. Rodario stapfte die Sandhügel hinauf und fand den von Talena beschriebenen Weg. Unterwegs aß er von dem Brot und dem Fisch, der ein sehr feines Aroma nach Salz, Gewürzen und Rauch hatte. Der Nebel lichtete sich, und Rodario sah eine flache, karge Insel mit wenigen Bäumen, vielen Sträuchern und Wiesen, auf denen Schafe und Ziegen weideten. Die Strahlen der Sommersonne trockneten sogar seine Schuhe und Füße.
Die Sage von der Insel beherrschte seine Gedanken. Sollte es sie wirklich geben, hatte sie dann den Lastkahn zum Kentern gebracht? Oder war er an deren Gestaden aufgelaufen und von ihr gleich darauf mit zerbrochenem Rumpf in die Tiefe gezogen worden?
Wenigsten bot sich dank Ormardin eine Erklärung für das Verschwinden des Kahns, auch wenn er den Gedanken wenig beruhigend fand. Eine letzte Kolonie von Albae, die so gut wie nicht zu verfolgen war. Es könnte die Brutstätte für noch schlimmeres Unheil im Geborgenen Land sein.
Die Stadt fand Rodario mühelos, und sogar den Fischer machte er rasch ausfindig, der ihn mit auf die Überfahrt nahm. Er musste sich auf dem Bug zwischen die Ersatzsegel kauern. Neben ihm hockte ein Matrose, der Löcher im Segeltuch ausbesserte und große Flickstücke aufbrachte.
Das kleine Schiff legte ab, plätschernd durchschnitt es die Oberfläche und eilte dem Hafen entgegen. Rodario döste ein wenig, danach beobachtete er den Matrosen bei der Arbeit. Seine Gedanken schweiften ab, er sah anstelle des Matrosen den Jungen vor sich, in dem er so viel Begabung vermutete. Er fand es traurig, dass Ormardin kein besseres Leben führen würde.
»Was glotzt du
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