Die Rache der Zwerge
der Atär zu erfüllen.« Tungdil kannte die Schlagkraft der elbischen Krieger und Bogenschützen. Sie waren den Menschen weit überlegen, und auch die Zwerge hätten enorme Schwierigkeiten, durch den treffsicheren, tödlichen Pfeilhagel bis zu den Reihen der Gegner zu gelangen. Vielleicht benötigte man das Heer der Untergründigen nicht gegen die Geschöpfe Tions, sondern gegen die Geschöpfe Sitalias, so unvorstellbar es für ihn auch klang. Und noch unvorstellbarer für alle anderen.
»Wie viel Wahrheit kann das Geborgene Land ertragen?«, sagte er mehr zu sich als zu Esdalän. »Ihr müsstet Euch eher fragen, wie viel davon es glauben würde«, meinte Esdalän. »Die Elben haben sich nichts zu Schulden kommen lassen und galten stets als das edelste Volk im Geborgenen Land, das für die Kunst und das Gute steht.« Seine blauen Augen musterten Tungdil prüfend. »Ihr glaubt meinen Worten, weil Ihr vieles gesehen habt. Aber versetzt Euch in die Lage der Königinnen und Könige, deren Beistand wir benötigen. Sie haben die scheinbare Großzügigkeit meines Volkes erfahren und würden mir niemals glauben. Die Atär würden eine Geschichte erfinden, die mich als Verräter dastehen lässt.« Er seufzte verzweifelt. »Kein Mensch wird sich ihnen entgegenstellen. Anfangs. Danach wird es zu spät sein.«
»Ganz Recht, Esdalän. Kein Mensch.« Tungdil schaute zu Sirka. »Aber die Zwerge werden es tun, sobald wir den Diamanten aus den Klauen der Albae geborgen und ihn vor den Elben in Sicherheit gebracht haben. Solange sie ihn nicht besitzen, dürfen sie es nicht wagen, ihre wahre Absicht zu enthüllen. Diese Ruhe vor dem Sturm werden wir mit Eurer Hilfe dazu nutzen, die Völker des Geborgenen Landes wachzurütteln und sie vor den Atär zu warnen.«
Der Elb nickte. »Ich bete, dass Sitalia und alle Ahnen ihren Segen geben, um das Schlimmste zu verhindern.« Esdalän wirkte erleichtert, dass er sein schreckliches Wissen hatte teilen dürfen. Er ließ den Blick über die Anwesenden hinter Tungdil schweifen. »Wen werdet Ihr einweihen?«
Das Geborgene Land, Nordosten des Braunen Gebirges, Im Reich der Vierten, 6241. Sonnenzyklus, Spätsommer.
Tandibur Schachtstolz aus dem Clan der Schachtstolzens eilte auf den langen Basaltplanken über die unzähligen Gräben, die vor dem Hohlweg ins Geborgene Land angelegt worden waren, nach vorn zur Silberfeste. Jeder einzelne Graben war sieben Schritte lang und zwanzig Schritte tief, aus den Wänden standen messerscharfe Kanten hervor, die jeden, der hineinfiel, aufschlitzte; selbst die Ringe von Kettenhemden wurden durchtrennt. Tandibur wandte den Kopf nach hinten. Im Anschluss an die Gräben und in seinem Rücken versprach die gewaltige Goldfeste jedem Eroberer Widerstand und stemmte sich mit unüberwindbaren goldfarbenen Mauern gegen einen Angriff. Steinmetzen hatten ihnen die Form von aufrecht stehenden Speeren verliehen; hier und da funkelten Edelsteine auf, die dem Bauwerk einen verschwenderischen Glanz verliehen. Dreißig Schritte ragten die Wände empor, dahinter erhob sich der Bergfried in Gestalt eines fünfzig Schritte hohen Zwerges. Der grimmig gestaltete Kopf war nach allen Seiten drehbar; bei Bedarf wurde er mit der Kraft von Ponys und Ketten bewegt. Auf der steinernen Helmspitze, in den Augen, in den Nasenlöchern und im Mund standen Wächter und Kriegsmaschinen bereit. Bislang war noch kein Scheusal bis vor ihre Tore gelangt, die Katapulte hatten niemals feuern müssen.
Das drohte sich an diesem Umlauf zu ändern.
»Los, schneller!«, spornte er die einhundert Krieger an, die ihm folgten und die er zur Verstärkung der Verteidiger in die vorgelagerte Feste führte.
Tandibur drängte nicht umsonst. Es stand schlecht um die Silberfeste. Sie trug ihren Namen wegen des silbrig schimmernden Felsens, aus dem sie geschlagen worden war. Gnomensilber nannten die Zwerge die Erscheinung, hübsch anzuschauen, doch wertlos, wenn man von der Härte des Gesteins absah. Aus einem ähnlichen Grund hatte die Goldfeste ihren Namen erhalten.
Die ersten Vierten hatten der Silberfeste fünf unterschiedlich hohe Türme gegeben, die gigantischen Fingern gleich in den Himmel ragten und sich zu einer abwehrenden Hand formierten. Der höchste von ihnen belief sich auf fünfzig Schritte. Aus den steinernen Ausgussrinnen schwappte flüssiges Blei in die Tiefe über die Angreifer, deren Schreie hinaufdrangen.
Zwischen den Türmen war eine Mauer errichtet worden, auf der die Verteidiger auf und ab
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